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Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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taten sie es. Immer wieder füllten sie den Sack mit Münzen, Platten, Ringen, Kronen, Barren; immer wieder hingen sie eine Truhe, ein Horn, einen Kandelaber oder einen Gott aus Gold an den Haken. Ein Signal konnte sich bei dieser Länge des Taus nicht gut bis nach oben fortpflanzen; die Mannschaft hollte es einfach etwa jede halbe Stunde ein. Tauno entdeckte, daß es besser war, wenn er seine Laterne daran befestigte, denn obwohl sich die See oben beruhigt hatte, driftete die Herning doch, und das Tau kam nie am gleichen Ort herab. Solange es oben war, suchten die Kinder des Wassermanns nach neuen Gegenständen oder ruhten sich ein wenig aus oder aßen von dem Käse und dem Stockfisch, die Ingeborg in den Sack gelegt hatte.
    Schließlich meinte Tauno müde: „Uns wurde gesagt, ein paar hundert Pfund seien reichlich, und ich kann schwören, wir haben eine Tonne nach oben geschickt. Ein gieriger Mann ist ein unglücklicher Mann. Sollen wir gehen?“
    „O ja, o ja.“ Eyjan spähte in die Düsternis, die sich rings um ihre Kugel aus schwachem Licht schloß. Sie erschauerte und schmiegte sich an ihren älteren Bruder. Er hatte bisher noch nie gesehen, daß sie eingeschüchtert war.
    Kennin war es nicht. „Langsam verstehe ich, warum das Landvolk so versessen auf das Plündern ist“, stellte er mit einem Grinsen fest. „Eine Endlosigkeit an Tand macht ebensoviel Spaß wie eine Endlosigkeit an Bier oder Frauen.“
    „Eine Endlosigkeit ist es eigentlich nicht“, antwortete Tauno auf seine nüchterne Art.
    „Ist es denn keine Endlosigkeit, wenn du von etwas soviel hast, daß du im ganzen Leben nicht damit fertig werden kannst?“ lachte Kennin. „Gold zum Ausgeben, Bier zum Trinken, Frauen …“
    „Hab Geduld mit ihm“, sagte Eyjan in Taunos Ohr. „Er ist ein Junge. Die ganze Schöpfung öffnet sich für ihn.“
    „Ich bin selbst noch kein alter Mann“, erwiderte Tauno, „obwohl die Trolle wissen, daß ich mich wie ein Sterblicher fühle.“
    Sie befreiten sich von den übrigen Laternen, indem sie diese dem letzten Sack voll Kostbarkeiten hinzufügten. Er würde schneller aufsteigen, als es für sie gut war. Tauno winkte dem nicht mehr sichtbaren Averorn einen Gruß zu. „Schlafe gut“, murmelte er. „Möge deine Ruhe bis zum Untergang der Welt nicht mehr gestört werden.“
    Aus Kälte, Dunkelheit und Tod stiegen sie ins Licht und dann in die Luft empor. Die Sonne sandte beinahe waagerechte Strahlen vom Westen her, wo der Himmel grünlich war. Im Osten war inmitten von Königsblau ein weißer Planet zu sehen. Die Wellen liefen purpurn und schwarz, mit Schaumspitzen besetzt, obwohl der Wind sich gelegt hatte. Ihr Rauschen und Klatschen waren die einzigen Geräusche in der Kühle, abgesehen von denen, die die springenden Delphine verursachten.
    Diese wollten sofort alles wissen, aber die Geschwister waren zu müde. Sie versprachen ihnen für morgen einen vollständigen Bericht, husteten das Wasser aus ihren Lungen und schwammen auf die Kogge zu. Niemand wartete an der Reling außer Herrn Ranild. Eine Strickleiter baumelte mittschiffs herab.
    Tauno kam als erster an Bord. Triefend stand er da; er zitterte ein bißchen vor Erschöpfung. Er sah sich um. Ranild trug eine Armbrust im gebeugten Arm; seine Männer faßten nach ihren Piken in der Nähe des Mastes. Der Krake war tot. Warum wirkten sie alle so angespannt? Wo waren Ingeborg und Niels?
    „Hm-m-m … seid ihr zufrieden?“ brummte Ranild in seinen Bart.
    „Wir haben reichlich für unsere Schwester und genug für euch alle, um euch reich zu machen“, antwortete Tauno. Sein Fleisch zog an ihm, ausgekühlt, verletzt, erschöpft. Ebenso schwer und schmerzend fühlte sich sein Kopf an. Er dachte, er sollte eigentlich seinen Sieg besingen. Nein, das konnte warten. Jetzte wollte er nichts als ausruhen, als schlafen.
    Eyjan kletterte an Bord. „Niels?“ rief sie.
    Ein Blick auf die sechs, die dort standen, genügte ihr. Ihr Messer zischte aus der Scheide. „Verrat – schon jetzt?“
    „Tötet sie!“ brüllte Ranild.
    Kennin war gerade von der Strickleiter gestiegen. Er schwebte noch auf der Reling. Als die Seeleute mit ihren Piken vorwärts stürzten, schrie er auf und sprang auf das Deck. Keiner von diesen klobigen Schäften war so schnell, daß er ihn aufhalten konnte. Kennin flog gerade auf Ranilds Kehle zu, die Klinge brannte im Licht der Abendsonne.
    Ranild hob die Armbrust und schoß. Kennin fiel zu seinen Füßen nieder. Der Pfeil war ihm durch

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