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Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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zuvor, aber kürzer, schaumweiß, und sie wurden um so unruhiger, je näher sie den Untiefen und Klippen kamen. Auch mit dem Treibanker sprang die Kogge umher wie ein Mann, der einen Schmiedehammer an die Schläfe bekommen hat.
    Tauno und Eyjan hatten die dunkelsten Stunden oben verbracht und wachten immer noch. Angestrengt hielten sie nach Zeichen von Land Ausschau. Der Sturm hatte endlich auch ihre Kräfte erschöpft. Gegen seine Kälte und Heftigkeit hielten sie einander eng umschlungen. Einmal sprach er seine Gedanken laut aus und fragte, ob er wohl noch Kraft genug habe, das Gesicht eines Sterblichen über Wasser zu halten.
    „Vielleicht können wir es nicht“, erwiderte Eyjan durch das Kreischen und Grollen. „Wenn es zum Schwimmen kommt, nimmst du Ingeborg, und ich nehme Niels.“
    „Warum?“ Tauno war stumpf überrascht. „Er wiegt mehr als sie.“
    „Das macht wenig Unterschied im Wasser, wie du weißt“, sagte sie, „und wenn sie sterben müssen, wird es ihnen so am liebsten sein.“
    Er verfolgte die Frage nicht weiter, und dann vergaßen sie sie beide.
    Eine Gestalt war längsseits aufgetaucht. Immer, wenn die Kogge ihre Backbordreling ins Wasser eintauchte, konnte man zwischen den Wellen einen Blick auf sie erhaschen, und danach sah sie wie ein großer grauer Seehund aus. Tauno und Eyjan hatten sich gefragt, warum ein solches Tier sie begleitete. Später meinten sie, von Anfang an sei ihnen ein fremder Geruch in die Nase gestiegen, obwohl der Sturm alle Sinne so sehr verwirrte, daß sie im Augenblick gar nichts davon merken konnten.
    Plötzlich stand die Herning beinahe senkrecht auf ihrem Heck. Eine Welle kletterte an Bord. Auf ihr, in ihrer Mitte, ritt der Seehund. Das Schiff rollte hin und her, bis es wieder einigermaßen auf ebenem Kiel lag. Wasser strömte durch seine Speigatten. Der Seehund blieb zurück. Er erhob sich auf seine Vorderflossen … sein Fleisch verwarf und veränderte sich … ein Mann hockte dort.
    Er stand auf und trat den sprachlosen Geschwistern gegenüber. Sie sahen, daß er groß war, einen Kopf größer als Tauno, und so breit und dick, daß er viereckig wirkte. Haar und Bart lagen glatt an seinem Kopf, grau in der Farbe, wie auch der wollige Pelz, der seinen sonst nackten Körper überall bedeckte, grau war. Die Haut darunter war hell. Er roch nach Fisch. Sein Gesicht war scheußlich, ausgenommen die Augen – eine niedrige, zerklüftete Stirn, eine flache Nase, ein offener Mund, die schweren Kiefer kinnlos. Doch jene Augen leuchteten unter Wimpern hervor, um die eine Königin ihn hätte beneiden können, groß, von einem weichen Goldbraun, ohne Weiß: unmenschlich.
    Tauno hatte eine Hand ans Messer gelegt. Steif ließ er das Heft fahren und hob einen Arm. „Willkommen, wenn du in Freundschaft kommst“, erklärte er in der Liri-Sprache.
    Der Fremde antwortete in einem tiefen, bellenden Ton, aber in Worten aus der Sprache der Sterblichen. „Was die Delphine sagten, zog mich her. Könnte eine Frau hier sein, nach ihrem Geschnatter. Ihr seid keine richtige Frau und ihr kein richtiger Mann, nach eurem Geruch, und auch kein richtiges Seevolk, nach eurem Aussehen. Was dann, und wer?“
    Die Sprache, die er benutzte, war verständlich und dem Dänischen ähnlich. Norwegische Siedler waren zu Zeiten der Wikinger zu den Inseln um Schottland gekommen. Die meisten jener Orte blieben unter der norwegischen Krone. Die Sprache der Vorfahren lebte in einer westlichen Version Seite an Seite mit dem Gälischen weiter.
    „Wir sind in bitterer Not“, sagte Eyjan. „Kannst du uns helfen?“
    Die Antwort durchschnitt klar das Toben des Sturms. „Vielleicht, wenn ich will. Mir ist selten Dank zuteil geworden. Habt ihr noch mehr Personen an Bord?“
    „Ja.“ Tauno öffnete die nächste Luke und rief Niels und Ingeborg, die unten schliefen, sie sollten heraufkommen.
    Sie kletterten innerhalb von Herzschlägen nach oben; Schrecken grub sich in ihre Gesichter. Als sie den Neuankömmling erblickten, blieben sie stehen, holten Atem und faßten sich unwillkürlich bei den Händen.
    Der Blick des Wer-Seehunds fiel auf Ingeborg und blieb auf ihr haften. Schritt für Schritt ging er über das Deck auf sie zu. Sie und Niels standen fest, nur daß sie darum kämpfen mußten, nicht zu fallen. Sie erbleichte, und der Jüngling zuckte zusammen, als das Wesen eine haarige Hand mit Fingernägeln wie Klauen ausstreckte und ihr über die Wange streichelte. Vor ihnen erhob sich das Zeichen des

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