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Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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Schnee durch den Flaum auf seinen Wangen.
    Hauau hockte vor ihnen, in seiner Massigkeit grotesk den Tag verdunkelnd. Mit seiner heiseren Stimme hustete er: „Ich meine, wir sollten versuchen, Schottland zu umrunden und die Nordsee zu durchqueren. Das Schiff braucht auf jedem Faden des Weges sorgsame Pflege. Am besten fahren wir durch die Irische See, durch den englischen Kanal und von dort an Friesland vorbei nach Dänemark. Es ist der längere Weg, aber wahrscheinlich der leichtere. Außerdem, sollte es zum Schlimmsten kommen, wissen wir, daß wir die Menschen lebendig ans Ufer bringen können.“
    „Kannst du uns lotsen?“ erkundigte sich Tauno. „Keiner von uns ist mit diesen Gegenden vertraut.“
    „Aye, das kann ich, und ich rate euch gut, jedem Schiff auszuweichen, sobald wir seine Mastspitze sehen. Der König von England hat Kapitäne, mit denen schlechter umzugehen ist als mit Piraten.“
    Eyjan wechselte die Lage. Sie sah den Selkie forschend an. „Du hast uns vor einem Schiffbruch gerettet, du wirst uns in den Hafen bringen“, sagte sie leise. „Was soll deine Belohnung sein?“
    Hauaus Brustkasten wölbte sich, er suchte nach Worten, und dann brach es in einem Bellen aus ihm heraus: „Ingeborg!“
    „Was?“ rief die Frau. Sie zog die Knie vor ihre Brüste, umfaßte sie mit dem linken Arm und schlug mit der zitternden Rechten das Kreuz.
    Der Wer-Seehund streckte zögernd die Hand nach ihr aus. Auch er bebte. „Solange wir segeln“, stammelte er. „Nur solange wir segeln. Ich werde behutsam sein, das verspreche ich. Oh, ich bin so lange allein gewesen …“
    Sie sah von ihm zu Tauno. Sein Gesicht war ausdruckslos. „Du hast zu viel für uns getan, als daß wir dich zwingen dürften“, erklärte er.
    Das Schweigen wuchs, während sie ihn anstarrte.
    Endlich rührte Hauau sich. Seine Schultern sanken herab. „Aye, häßlich bin ich“, brummte er. „Ich wäre auch ohne Belohnung geblieben, aber ich kann es nicht ertragen, dich zu sehen. Lebt wohl. Ich glaube, ihr schafft es auch ohne mich nach Hause. Lebt wohl für immer.“ Er ging auf die Reling zu.
    Ingeborg sprang auf. „Nein, warte!“ rief sie und rannte zu ihm. Er blieb mit offenem Mund stehen. Sie ergriff seine große Klauenhand mit ihren Händen. „Es tut mir leid“, sagte sie. Ihre Stimme schwankte, Tränen standen ihr in den Augen. „Ich war nur erschrocken, verstehst du? Natürlich werde ich …“
    Er bellte ein wildes Lachen und drückte sie fest an sich. Sie schrie auf vor Schmerz. Er ließ sie los. „Verzeih mir“, bat er. „Ich hatte es vergessen. Ich werde behutsam sein, ganz bestimmt.“
    Niels trat vor, blaß um die Nase. „Nein, Ingeborg, tu es nicht“, stieß er hervor. „Wir haben der Sünden schon genug auf unsere Seelen geladen … und du …“
    Sie lachte auf. „Du weißt doch, was ich bin“, gab sie zurück. „Hieran ist nichts wirklich Neues – oder?“
    Eyjan stand auf, faßte Niels bei den Schultern, flüsterte etwas in die wirren blonden Locken, die seine Ohren verbargen. Er hielt den Atem an.
    Auch Tauno kam auf die Füße. Er und Hauau standen Auge in Auge. „Du wirst sie freundlich behandeln“, verlangte Tauno, die Hand auf dem Heft seines Messers.
     
    Die Nächte wurden länger und dunkler, als der Sommer fortschritt, aber diese eine war klar, voll von zahllosen Sternen, die für Feenaugen reichlich Licht spendeten. Die Herning segelte vor einem Wind, der den ganzen Kanal vor kleinen Wellen glitzern ließ. Das Wasser rauschte und gurgelte am Bug entlang. Hin und wieder klatschte ein Stück Segeltuch, ein Block klapperte, eine Planke knarrte – leise Geräusche, verloren in der Stille – bis Hauau im Bugabschnitt aufbrüllte.
    Später kam er mit Ingeborg an Deck, stand da und blickte aufs Meer hinaus. Tauno war am Ruder, Eyjan im Krähennest, aber keiner von beiden sah offen zu dem Paar hin. „Ich danke dir, Mädchen“, sagte der Selkie demütig.
    „Du hast dich bereits bedankt“, antwortete die Frau und nickte zu der Dunkelheit unter dem Vorderdeck hin.
    „Darf ich es denn nicht ein zweites Mal tun?“
    „Es ist nicht notwendig. Ein Handel ist ein Handel.“
    Er fuhr fort, aufs Wasser hinauszusehen. Seine Hände umklammerten die Reling. „Dann magst du mich überhaupt nicht?“
    „So habe ich es nicht gemeint“, protestierte sie. Zoll für Zoll schob sie ihre Hand weiter, bis sie auf seiner lag. „Du bist unser Retter, und, ja, du bist besser zu mir als viele, an die ich mich

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