Kinder erziehen - die 101 wichtigsten Fragen und Antworten
beste Zeitpunkt, um neue Interessen zu wecken und alte zu vertiefen. Hobbys sind keine kindlichen Spielereien mehr, sondern «wertige», ernsthafte Tätigkeiten. Große Kinder wünschen sich, dass man sie darin ernst nimmt, ohne zugleich erwachsene Maßstäbe anzulegen.
Dabei lieben sie es, sich mit anderen, auch mit Erwachsenen, zu messen und ihre Kräfte unter Beweis zu stellen. Das zeigt sich unter anderem in einem ausgeprägten Renommiergehabe. Starke Gesten, Worte und Gefühle sind ein typischer Ausdruck dieser Altersphase. Große Kinder müssen außer Rand und Band geraten und laut sein dürfen. Beim Schreien, Lachen, Toben, Streiten, Blödeln geht es darum, ein im Wortsinn «tolles» Gefühl zu erzeugen.
Große Kinder brauchen viel Bewegungsfreiheit, Zeit für Spiel und Sport und Kontakt mit Gleichaltrigen. Dürfen sie ihre Gefühle nicht über Bewegung ausleben, tun sie sich sehr viel schwerer, emotionale Turbulenzen zu bearbeiten und zu überwinden.
Auch wenn sich Zehnjährige schon wie Teenager anziehen oder benehmen, würde es sie vollkommen überfordern, wenn man sie wie Jugendliche behandelt. Ihnen geht es darum, auszuloten, wie weit sie gehen können, wie groß ihr Freiheitsradius jetzt ist. Möglichst groß! Die meisten Kinder gehen damit erstaunlich verantwortungsvoll um, denn anders als Jugendliche stellen sie die Berechtigung von Grenzen noch nicht in Frage. Wenn sie übers Ziel hinausschießen, braucht es ein souveränes Gegenüber, das freundlich und bestimmt erklärt: Bis hierin und nicht weiter. Noch nicht.
35 Ist die Pubertät wirklich so schlimm?
Was kommt da nicht alles auf Eltern zu: Flatrate saufen, unmögliche Freunde, Schuleschwänzen. Brüllorgien und Misstrauen überschatten die Beziehung, und die netten Nachbarn werden nicht mehr grüßen, weil der Sprößling mit seinen Freunden Bier trinkend vor dem Haus herumlungert. Die Pubertät ein einziger Horrortrip? Das stimmt so nicht.
Vereinzelt gibt es tatsächlich Teenager, die völlig außer Rand und Band geraten, doch die Mehrheit ist «nur» anstrengend. Alles in allem handelt es sich um eine äußerst interessante, anregende Lebensphase. Heranwachsende entwickeln nicht nur eine Leidenschaft für Diskussionen, sondern oft auch ein großartiges Talent für Situationskomik. Sie verstehen nun Ironie und Wortspiele, und hin und wieder räumen sie, wenn sie sich beruhigt haben, sogar ein, dass ihre Eltern vielleicht doch Recht haben könnten.
Anderseits kann schon ein harmloses Geplauder übers Wetter eine Explosion auslösen. Nicht von ungefähr wird das Benehmen von Heranwachsenden, die um ihr neues Selbstbild kämpfen, gern mit dem von Kindern in der Trotzphase verglichen. Da ist was dran. Deshalb ist es auch eine gute Idee, genauso geduldig und zugetan zu bleiben wie damals.
Das ist nicht leicht. Nur Eltern wissen, was es heißt, in einem Teenager, der wegen einer geplatzten Verabredung herumpöbelt, kein Monster zu sehen, sondern ein unsicheres Wesen, das Nachsicht und Trost braucht. Es kostet Kraft, über die Launen und das merkwürdige Aussehen hinwegzusehen, aber es lohnt sich. Die Energie, Fantasie, Albernheit und Risikofreude Heranwachsender geben auch Eltern neuen Schwung.
Als «Oberindianer», die alles wissen, sind Eltern jetzt nicht mehr gefragt, dafür als Gesundheits-, Bildungs- und Finanzberater – wobei sie sich auch ungefragt einmischen dürfen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, zuzuschauen, wie sich ein Teenager in Schwierigkeiten bringt.
Teenager brauchen keine coolen Moms und Dads, sondern Eltern, die kompetent und sensibel agieren, die vernünftige Ratschlägeund keine Befehle erteilen, die ihre Verbündeten sind, wenn sie sich in Schwierigkeiten gebracht haben, die ihnen nicht nach dem Mund reden und einen Standpunkt vertreten, ohne das Ruder an sich zu reißen. Auch wenn mal etwas in die falsche Richtung geht, das vorrangige Ziel der Heranwachsenden ist mehr Selbständigkeit, mehr Unabhängigkeit, mehr Freiheit.
36 Kaufen und Konsum – muss ich jeden Wunsch erfüllen?
Kinder haben viele Wünsche – und manchmal jede halbe Stunde einen anderen. Unmöglich, sie alle zu erfüllen, selbst wenn man das Geld hätte. Das ist auch nicht nötig. Wichtiger ist, dass Kinder erleben: Jeder Wunsch ist berechtigt, aber nicht jeder wird erfüllt. Wenn man erst drei oder vier ist, kann man das natürlich noch nicht ohne weiteres tolerieren. Deshalb ist es wichtig, Kinderwünsche grundsätzlich zu bejahen. Man kann
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