Kinder erziehen - die 101 wichtigsten Fragen und Antworten
Gewalt auf der anderen Seite. Umgekehrt sorgt ein freundlicher Ton auch für ein einigermaßen freundliches Miteinander. Natürlich ist nicht jeder, der sich höflich ausdrückt, auch ein guter Mensch. Doch ebenso wenig wird man behaupten können, dass unter Leuten, die sich mit Beleidigungen verständigen, Menschen edler Gesinnung zu finden sind. Worte sind eben nicht nur Worte. Sprache ist die Brücke, die die Innenwelt mit der Außenwelt verbindet. Deshalb ist es so wichtig, wie man mit seinem Kind spricht. Aber das reicht nicht. Eltern müssen auch darauf achten, wie ihr Kind mit anderen spricht.
In den ersten fünf bis sechs Lebensjahren experimentieren Kinder mit der Sprache. In dieser Phase benutzen fast alle mit großer Begeisterung Kraftausdrücke. Die heißen übrigens nicht von ungefähr so. Kraftausdrücke geben Kindern das Gefühl, groß, stark und mutig zu sein. Vielleicht sind deshalb Jungen dafür besonders empfänglich. Wenn sie wüste Beschimpfungen loslassen, ist das manchmal auch der Versuch, die Gefühle zu kontrollieren und nicht handgreiflich zu werden – und insofern ein Fortschritt. Trotzdem muss man unmissverständlich zum Ausdruck bringen: «Ich will nicht, dass du so sprichst. Und zwar mit niemandem.»
Dass sich Kinder im Ton vergreifen und grobe Ausdrücke benutzen, ist dennoch normal. Schließlich muss man erst mal lernen, wo der feine Grat zwischen mutig oder gewitzt und unverschämt verläuft. Und dafür muss man eben den Mund aufmachen dürfen. Kinder sollen keine Duckmäuser und Jasager sein, sondern Menschen, die Meinungen und Überzeugungen haben und diese auch vertreten.
In der Pubertät wird Sprache besonders gern als Provokation eingesetzt, ähnlich wie grüne Haare und Mercedessterne im Ohrläppchen, mit denen einst Punks den Elternschreck gaben. Mädchen machen sich häufig einen überheblichen, abfälligen Ton zu eigen, während Jungen eher grob werden. Beides, gepaart mit der für dieses Alter typischen Egozentrik, ist nur schwer auszuhalten. Und, um es gleich zu sagen: Niemand muss das aushalten. Eltern haben das Recht zu erwidern: «Du bist sehr aufgebracht. Lass uns das später besprechen.» Bemerkungen wie «Such dir doch einen anderen Dummen, der dich rumkutschiert/bedient/so mit sich reden lässt», verkneift man sich dagegen besser. Es gibt Teenager, die solche Aufforderungen wörtlich nehmen und sich tatsächlich nach anderen Leuten umschauen. In der Regel nach den falschen.
Sollte einem in der Hitze des Gefechts selbst etwas Gemeines herausrutschen, entschuldigt man sich am besten sofort und erklärt, warum man das gesagt hat und warum das falsch war. So versteht das Kind, dass man den Umgangston in jedem Alter und jeder Position regulieren muss. Woran sich Kinder ein Leben lang erinnern, was sie durchs Leben trägt, sind nicht tolle Geburtstagspartys oder Kinobesuche, sondern die Stimmung in der Familie, und die macht man eben auch mit der Stimme.
75 Warum lieben Kinder Schmuddelkram?
In den meisten Kindern steckt etwas unbändig Albernes und eine große Faszination für alles Unanständige und Schmuddelige. Aufgeklärte, ernsthaft bemühte Eltern mögen denken, dass eine lockere, offene Atmosphäre Kindern – zumindest, was denSchmuddelkram betrifft – den Wind aus den Segeln nimmt, doch das klappt eher selten. Man kann ungezwungen nackt in der Wohnung herumlaufen und sachlich genau über Ausscheidungen reden, aber kaum kann der Nachwuchs sprechen, trällert er auch schon: «Es dampft die Kacke in dem Topf …»
Die Angelegenheit als kindisch abtun oder einfach verbieten, funktioniert nicht. Dürfen sich Kinder hierbei nicht zu Hause ausleben, heißt das noch lange nicht, dass der Schmuddelkram aus der Welt geschafft ist. Sobald die wohlerzogenen Kinder aus «anständigen» Elternhäusern zu Besuch sind, werden sie in eine Ecke gezogen, und eine kleine Stimme wispert: «Wollen wir Popel an die Türklinken kleben?» Natürlich wollen sie! Falls sie nicht gerade im «Hexenrestaurant» Suppe aus Kellerasseln und Küchenabfällen «kochen», die anschließend einem unschuldigen Gast unter Kichern und Prusten vorgesetzt wird.
Das Gruseln und die Schmuddelspiele, vom Weitspucken bis zum zielgenauen Pinkeln vom Balkon, das Experimentieren mit Schimpfwörtern, die unanständigen Witze, das alles gehört zu den Lieblingsbeschäftigungen der Fünf- bis Zehnjährigen. Sie spüren, dass Chaos und Regellosigkeit zum Leben dazugehören. Sie ahnen, dass die menschliche
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