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Kinder

Kinder

Titel: Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seibold
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Respekt, Frau Pietsch, Herr
Pietsch.«
    Er nickte beiden anerkennend zu.
    »Aber Sie müssen wirklich keine neue Schule für Ihre Kinder suchen,
wie Sie es gerade angeboten haben.«
    Er musterte die beiden. Sie konnten ja kaum vergessen haben, wie das
letzte Gespräch zu viert geendet hatte – aber so sehr er auch in ihren
Gesichtern zu lesen versuchte: Er sah nichts weiter als ein Elternpaar am Ende
seiner Kräfte. Warum sollte er sich also nicht großzügig zeigen? Warum sollte
er also nicht Frieden schließen mit den beiden? Und warum sollte er ihre Kinder
an eine andere Schule ziehen lassen, wo er und seine Frau sie nicht mehr so gut
unter Kontrolle haben würden? Außerdem wollte er sich nicht schon wieder vom
Vorsitzenden ermahnen lassen, dass seine Arbeit zu viel Aufsehen erregte – auch
wenn ein Schulwechsel weit weniger dramatisch war als ein totes Kind.
    »Wenn meine Frau und ich nun wissen, dass Sie Ihren Irrtum
schlussendlich eingesehen haben und dass Sie unsere Arbeit künftig unterstützen
werden, sollten wir es einfach gut sein lassen, finde ich.«
    Er stand auf, streckte ihnen die Hand hin. Ein Problem weniger.
    Rainer Pietsch musste sich auf dem ganzen Weg vom
Besprechungsraum bis zum Parkplatz neben der Schule zusammenreißen. Ihm war
übel, und am liebsten hätte er gegen irgendetwas getreten. Dass Moeller ihnen
ihren Auftritt abgekauft hatte, war natürlich gut – aber dass Rainer Pietsch
dabei so tun musste, als krieche er vor den beiden zu Kreuze, das schmerzte ihn
geradezu körperlich. Annette Pietsch sah es ihm an, und sie nahm im Gehen seine
Hand und drückte sie immer wieder.
    Rektor Wehling stand in seinem Büro und sah den beiden hinterher.
Was sie wohl mit Franz und Rosemarie Moeller zu besprechen hatten?
    Es klopfte an der Tür. Franz Moeller stehe im Vorzimmer, sagte die
Sekretärin, und wolle ihm eine gute Nachricht überbringen.
    »Sind Sie wahnsinnig?«, fragte der Vorsitzende. »Hatten
Sie in diesem Jahr denn noch nicht genug Ärger?«
    »Das wird gutgehen, glauben Sie mir«, versicherte Franz Moeller und
drückte die Hand seiner Frau, die neben ihm saß und mitzuhören versuchte. »Wir
lösen den Alarm aus, die Schüler werden die Initiative ergreifen, und sie
werden ihre Sache gut machen. Wir haben im Unterricht schon mehrfach
Rollenspiele inszeniert, in denen sie genau solche Situationen meistern mussten – und sie haben jedes Mal bewiesen, dass sie schon viel weiter sind, als wir
hoffen konnten. Und die Eltern werden ebenfalls eingeweiht: Während ihre Kinder
in der Aula sind, informieren wir sie darüber, dass den Schülern keine Gefahr
droht und dass sie ihren Kindern die Chance auf den nächsten Schritt in ihrer
Entwicklung nicht nehmen sollen.«
    »Trotzdem: Mir gefällt das nicht.«
    »Der Rektor ist eingeweiht, und auch er sieht inzwischen die
einmalige Chance, dadurch endgültig alle Eltern von unserer pädagogischen
Arbeit zu überzeugen.«
    »Wehling? Auf den sollten Sie sich lieber nicht verlassen. Ich habe
ein paar Informationen über ihn eingeholt – für unsere Organisation würde er
nicht taugen.«
    »Natürlich nicht, er ist ein Weichei und will vor allem
Schwierigkeiten aus dem Weg gehen. Aber wenn sogar er die Chance begreift, die
wir der Schule durch diese Demonstration bieten …«
    »Ich weiß nicht recht.«
    Franz Moeller sah seine Frau an und rollte genervt mit den Augen.
Der Vorsitzende hatte längst nicht mehr den Biss früherer Zeiten. Vielleicht
war es Zeit für einen Nachfolger.
    »Vertrauen Sie uns, bitte!«, beschwor ihn Moeller. »Sie haben in
diesem Jahr schon so viel für uns getan, nun sind wir an der Reihe. Sie werden
sehen: Wir revanchieren uns.«
    Langes Schweigen am anderen Ende, dann sagte der Vorsitzende
mürrisch: »Das will ich hoffen.«
    »Wir werden Sie nicht enttäuschen.«
    Franz Moeller war erleichtert, als er das Gespräch beendet hatte.
Zumindest unwillig hatte er die Zustimmung bekommen, die er haben wollte. Auch
Wehling schien einverstanden, es konnte alles laufen wie geplant.
    Der Vorsitzende sah noch kurz auf das Telefon in seiner Hand, dann
wählte er eine Handynummer und wartete, bis sich am anderen Ende eine
Männerstimme meldete.
    »Ich habe einen neuen Auftrag für Sie«, sagte er, dann nannte er den
Namen einer Stadt und den Tag, an dem dort das Schulfest eines der Gymnasien
stattfinden sollte.
    Der Tag des Sommerfests brach mit viel Sonne und einigen
schnell am Himmel vorüberziehenden Wolken an.
    Der Hausmeister

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