Kinder
den Moellers
letztlich auf Missverständnissen beruhten.
Michael erzählten sie dasselbe. Vielleicht hätten sie ihm noch eher
als Lukas zugetraut, Rosemarie Moeller etwas vorzuspielen – aber so verstockt,
wie Michael noch bis vor Kurzem gewesen war, wollten sie trotz der gebesserten
Stimmung nicht riskieren, dass er den Plan womöglich an seine Lehrerin verriet.
Tatsächlich hörte sich Michael alles in seinem Zimmer in Ruhe an, vor allem das
Eingeständnis der Eltern, sich in den Moellers getäuscht zu haben und nun
einzulenken, schien ihn zu erleichtern.
»Wir werden noch heute in der Schule anrufen, einen Termin mit den
Moellers verabreden und diese ganze Geschichte aus der Welt schaffen«, sagte
Rainer Pietsch.
Dann riefen sie die Moellers an und verabredeten sich für den
kommenden Tag.
Der Espresso tat gut, aber noch immer hatte er sich nicht
entschieden. Johannes Wehling ging in seinem Büro auf und ab und dachte über
das Gespräch nach, das er vor einigen Tagen mit Franz Moeller geführt hatte.
Moeller führte etwas für das Sommerfest im Schilde, das war dem
Rektor schon zuvor klar gewesen – allzu auffällig hatte sich der Kollege nach
dem genauen Ablauf der Vorführungen erkundigt. Schließlich hatte Moeller ihm
seinen Plan erläutert.
Im Anschluss an die von Chor, Orchester und weiteren AG s einstudierten Vorführungen wollten Franz und Rosemarie
Moeller den Erfolg ihrer pädagogischen Arbeit demonstrieren – auf eine seiner
Meinung nach eher drastische Art, aber Moeller versicherte ihm so eifrig, dass
keinem der Schüler dadurch Gefahr drohe, dass Wehling sich schließlich hatte
breitschlagen lassen, nichts gegen Moellers Vorhaben zu unternehmen.
»Notfalls können Sie ja behaupten, Sie hätten von nichts gewusst«,
schlug ihm Moeller vor. Dieser Gedanke war dem Rektor auch schon gekommen.
Inzwischen fragte er sich, ob das ein Fehler gewesen war.
Die Moellers wollten einige Schulklassen, mit denen sie am besten
zusammenarbeiteten, in der Aula im Untergeschoss versammeln, die sie das Jahr
über notgedrungen als Turnraum nutzen mussten, weil im Umkreis nicht genügend
Sporthallen verfügbar waren. Bei schlechtem Wetter würde in der Aula ohnehin
der Großteil der Aufführungen stattfinden, und man musste dafür sorgen, dass
die betreffenden Schüler dort zurückblieben, während die anderen Gäste
hinausgingen. Und wenn schönes Wetter war, würden die betreffenden Klassen
unter einem Vorwand in die Aula gelockt werden.
Dann sollte der Rest der Anwesenden kurz eingeweiht werden: Ein
Feueralarm würde ausgelöst werden, natürlich ohne wirkliches Feuer, und einige
harmlose Rauchkörper würden in der Aula für etwas mehr Realismus sorgen. In
dieser Situation, da war sich Moeller sicher, würden die von ihnen ausgewählten
Schüler besonnen und zielstrebig reagieren und so ihren Mitschülern und allen Eltern
demonstrieren, wie stark sie sich auch abgesehen von den Noten in diesem
Schuljahr entwickelt hatten.
Nachdem die Moellers zu Beginn des Schuljahrs heftig von einigen
Eltern angegangen worden waren, würde eine solche gelungene Demonstration die
Gemüter sicher noch weiter beruhigen – aber Wehling fragte sich, ob zu Beginn
der Übung nicht womöglich Panik aufkommen würde, und dafür müsste er als
Schulleiter seinen Kopf hinhalten, ob er davon nun gewusst haben wollte oder
nicht.
Und so schwankte er seit Tagen zwischen der Furcht vor einer in
irgendeiner Form misslingenden Übung – und der durchaus verlockenden Aussicht
darauf, dass durch eine geglückte Demonstration vemutlich endgültig der Friede
in seiner Schule gesichert war.
Schließlich rief er Frido Hässler, den Vertrauenslehrer, auf seinem
Handy an und verabredete sich für den Abend mit ihm in einem Bistro in der
Innenstadt. Hässler konnte ihm helfen, bei einem drohenden Scheitern der
Kollegen einzugreifen – und er, Wehling, würde sich durch einen Mitwisser
zusätzlich absichern können.
Franz und Rosemarie Moeller hatten sich alles in Ruhe
angehört, ab und zu hatte Franz Moeller verstohlen zu seiner Frau hingesehen.
Die Kehrtwende von Annette und Rainer Pietsch hätte ihn normalerweise stutzig
gemacht, aber so sehr, wie die Familie derzeit unter Druck stand, konnte man es
ihnen nicht verdenken, wenn sie nun einknickten.
»Es freut mich, dass Sie das inzwischen so sehen«, sagte er in
versöhnlichem Ton. »Und ich kann nachvollziehen, wie schwer es Ihnen gefallen
sein muss, dieses Gespräch mit uns zu führen.
Weitere Kostenlose Bücher