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Kinder

Kinder

Titel: Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seibold
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eine andere. »Ich erinnere mich da durchaus noch an ein paar Vorkommnisse
aus dem vergangenen Schuljahr.«
    Christine Werkmann war puterrot geworden.
    »Das ist ungeheuerlich!«, platzte sie dann heraus. »Es ist
unglaublich, wie Sie hier versuchen, meinen Sohn vom Opfer zum Täter zu machen.
Wer hat denn eine zerrissene Jacke? Wer ist denn blutend und mit blauen Flecken
nach Hause gekommen?«
    »Und wer soll das gewesen sein?«, fragte Karin Knaup-Clement,
nachdem sie sich mit einem Blick in die Runde vergewissert hatte, dass sich
Christine Werkmann spätestens mit diesem Ausbruch die meisten Sympathien hier
am Tisch verspielt hatte.
    »Das weiß ich nicht. Kevin will seine Klassenkameraden nicht
verpetzen, hat er gesagt.«
    Gemurmel, vereinzeltes Grinsen.
    »Lukas wollte zuerst auch nichts sagen«, meldete sich schließlich
Rainer Pietsch zu Wort.
    Alle wandten sich ihm zu.
    »Ja, auch Lukas ist verprügelt worden – die anderen Jungs haben sich
Kevin und ihn wohl gemeinsam vorgenommen. In einem Abwasch, sozusagen.«
    Rainer Pietsch sprach ruhig, er wirkte sachlich – aber es war klar,
dass er nicht viel hielt vom Verhalten der meisten am Tisch. Karin
Knaup-Clement, die für diesen Abend nur mit der kritischen Wortmeldung von
Christine Werkmann gerechnet hatte, fühlte sich plötzlich sehr unbehaglich.
    »Inzwischen hat mir Lukas die Namen der vier Jungs anvertraut. Sie
gehen alle mit Kevin und Lukas in die Klasse, aber ich finde, dass die Namen
hier in dieser Runde nichts verloren haben. Das werde ich mit den betreffenden
Eltern direkt klären.«
    Einige am Tisch wollten etwas erwidern, aber Rainer Pietsch hob
abwehrend die Hand.
    »Was heute Abend aber sehr wohl hierher gehört, ist die Frage, inwiefern
Rosemarie und Franz Moeller mit dem Vorfall zu tun haben. Und ich finde es auch
nicht so abwegig wie offenbar die meisten hier, dass Frau Werkmann zwischen
beidem eine Verbindung sieht.«
    »Also, ich weiß nicht …«, begehrte Karin Knaup-Clement auf. »Die
Moellers halten sich, nach allem, was ich so höre, seit unserem Gespräch mit
dem Rektor doch sehr stark zurück. Und inzwischen stellt sich außerdem heraus,
dass zumindest einer ihrer Ansätze so falsch nicht gewesen ist: Die Disziplin,
die sie von den Schülern einfordern, tut unseren Kindern gut – das kann man
schon jetzt an den paar Noten sehen, die bisher vergeben wurden.«
    Christine Werkmann lächelte traurig und schüttelte den Kopf.
    »Auch die Noten meiner Kinder haben sich verbessert«, stimmte Rainer
Pietsch zu. »Und ich finde es auch angenehm, dass sie ihre Schulranzen nicht
mehr überall herumliegen lassen, dass sie sich jetzt unaufgefordert an die
Hausaufgaben setzen und rechtzeitig vor Klassenarbeiten den Stoff noch einmal
durchgehen. Das ist alles schön und gut, aber wenn ich mir ansehe, was an
unserer Schule alles vorgefallen ist, seit die Moellers dort unterrichten – das
machen die besseren Noten nicht wett, finde ich. Und was bisher aus dem
Unterricht der Moellers bekannt wurde, was wir bisher über ihre Methoden
erfahren haben: Die beiden scheinen doch sehr stark mit einer Atmosphäre des
Drucks, der Angst zu arbeiten. Meiner Meinung nach schüren sie auch den
Konkurrenzkampf unter den Schülern.«
    »Ja, und?«, empörte sich Karin Knaup-Clement. »Ist das denn so
falsch? Müssen die Kinder denn nicht schon in der Schule auf den
Konkurrenzdruck vorbereitet werden, der sie später im Beruf erwartet? Oder
erleben Sie das in Ihrem Job anders, Herr Pietsch?«
    »Ich finde, dass sie in der sechsten, siebten oder neunten Klasse,
in die meine Kinder gehen, noch ein bisschen Zeit hätten, bis sie den
knallharten Konkurrenzdruck kennenlernen müssen. Es sind doch noch Kinder!«
    Karin Knaup-Clement lächelte mitleidig und zog das Gespräch mit ein
paar launigen Bemerkungen wieder an sich. Eine halbe Stunde später war das
Treffen beendet, Rainer Pietsch verabschiedete sich als einer der Letzten, im
Hinausgehen drückte Christine Werkmann ihm die Hand.
    »Danke«, sagte sie mit Tränen in den Augen. »Auch wenn es nichts
gebracht hat.«
    Rainer Pietsch nickte frustriert und ging nach draußen.
    Lukas wartete, bis es im Haus ganz still geworden war.
    Seine Mutter hatte eine Party mit Essen und Trinken zu versorgen und
war schon früh gegangen, sein Vater besuchte den Elternstammtisch, und Michael
hatte sich ohnehin gleich nach dem Abendbrot in sein Zimmer verzogen. Sarah
aber saß noch eine Weile vor dem Fernseher und zappte zwischen

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