Kinder
abgeschüttelt hat.«
»Sagt Strobel?«
»Ja, sagt Strobel. Und Strobel hat ihm dann auch sein Handy gegeben,
damit er uns anrufen kann – Michaels eigenes Handy ist bei dem Sturz
kaputtgegangen.«
Sarah war inzwischen fertig, und überall auf Michaels Gesicht
schimmerte es feucht.
»Was war denn wirklich los?«, wandte sich Lukas nun an seinen
Bruder.
Der sagte nichts, sondern presste nur seine Lippen aufeinander.
»Jetzt red doch endlich!«, beschwor ihn sein Vater. »Ich will
Strobels Version nicht glauben, aber du musst mir schon sagen, was wirklich
passiert ist!«
»Mit dir red ich gar nicht mehr!«, zischte Michael plötzlich. »Du
und Mama, ihr seid doch überhaupt schuld daran, dass es mir in der Schule jetzt
so dreckig geht!« Damit riss er sich los, rannte die Treppe hinauf und ließ die
anderen verblüfft zurück.
Lukas ging die letzten Meter bis zur Schule mit einem
etwas flauen Gefühl. War es richtig gewesen, seinen Vater einzuweihen? Heute
Abend wollten sich die Eltern wieder zu einem Stammtisch treffen, Thema waren
natürlich die Moellers – und Lukas hatte nun Bedenken, dass sein Vater anderen
Eltern schon von Lukas und Kevin und der Prügelei erzählt hatte. Wenn er die
Namen von Marius und den anderen weitergegeben hatte, dürften deren Eltern ihre
Kinder inzwischen zur Rede gestellt haben. Dann müssten sie nicht besonders
helle sein, um daraus zu schließen, dass Kevin oder er sie verpfiffen hatten –
und dann würde es noch unangenehmer werden, als es ohnehin schon war.
Sein Bruder Michael trottete ein Stück vor ihm her. Lukas wäre gerne
neben ihm gelaufen, aber das hatte ihm Michael mit einem kurzen, eindeutigen
Blick verboten. Seit dem Zwischenfall in der Schule war Michael wortkarg und
gereizt, kaum wechselte er ein Wort mit jemandem in der Familie; er aß
schweigend und rastete regelrecht aus, wenn ihn seine Eltern etwas fragten.
Michael ging schnurstracks ins Schulgebäude. Lukas folgte ihm so
dicht wie möglich. Gegenüber standen wieder Marius und seine Freunde zusammen.
Benjamin sah zu ihm herüber und machte die anderen auf ihn aufmerksam. Marius
drehte sich um und rieb wie immer Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger
aneinander. Er wollte Geld, natürlich, aber im Moment machte er noch keinen
Druck: Erst gestern hatte er ihm einen Zehner zugesteckt. Doch die Hauptsache
war: davon, dass Lukas gepetzt hatte, wusste Marius offensichtlich nichts.
Lukas atmete auf und beeilte sich, ins Gebäude zu kommen. Morgen
oder übermorgen würde er schon irgendwo in einem Geldbeutel der Eltern etwas
finden, das niemand sofort vermissen würde – denn davon, dass Marius Geld von
ihm forderte, hatte Lukas seinem Vater nichts gesagt.
Da hätte er ihm ja auch gleich verraten können, dass er seine Eltern
inzwischen regelmäßig bestahl.
Der dritte Elternstammtisch in diesem Halbjahr war weniger
gut besucht als die beiden vorherigen. Man hatte sich wieder im Nebenraum der
Pizzeria getroffen, und Karin Knaup-Clement hielt wie üblich eine kleine
Eröffnungsrede.
»Dass wir uns heute Abend schon wieder treffen, hat mit einer
Beschwerde von Kevins Mutter Christine Werkmann zu tun.« Sie nickte der ihr
schräg gegenüber sitzenden Frau zu. »Ich bin nicht der Ansicht, dass es sich
bei unserem Thema heute zwingend um etwas handelt, das uns alle betrifft – aber
ich will mir nicht vorwerfen lassen, dass ich mich nicht für alle Eltern und
alle Kinder gleichermaßen engagiere.«
Damit hatte sie ihre eigene Haltung deutlich gemacht, bevor das
Thema überhaupt zur Sprache kam. Sie hatte sich abgesichert und hatte sich als
Elternvertreterin in ein gutes Licht gerückt. Was sie nicht erwähnte, war die
Tatsache, dass es zahlreiche hartnäckige Anrufe von Christine Werkmann
gebraucht hatte, um sie zu diesem Schritt zu bewegen.
»Kevin ist von Mitschülern verhauen worden«, sagte Karin
Knaup-Clement, »und Frau Werkmann glaubt, dass das mit den Moellers und ihren
Lehrmethoden zu tun hat.«
Rundum waren teils entrüstete, teils höhnische Kommentare zu hören,
und Christine Werkmann saß mit zunehmend verbissener Miene am Tisch.
»Finden Sie das alles so in Ordnung?«, fragte Kevins Mutter
schließlich in die Runde, als es wieder etwas ruhiger geworden war. »Finden Sie
es völlig in Ordnung, dass mein Sohn schon wieder gemobbt und nun auch
geschlagen wird?«
»Nein, das ist nicht in Ordnung«, meinte eine Mutter.
»Sie vergessen, dass Ihr Kevin auch nicht gerade ein Engelchen ist«,
sagte
Weitere Kostenlose Bücher