Kinder
diversen Soaps
und Comedy-Serien hin und her. Irgendwann war es aber dann auch ihr spät genug.
Lukas hörte noch Geklapper in der Küche, Schritte auf der Treppe und
schließlich wurde eine Tür geschlossen. Endlich kehrte Ruhe ein.
Leise stand Lukas auf, horchte an der Tür und huschte kurz darauf
aus dem Zimmer und hinunter in den Flur im Erdgeschoss. Viel Zeit würde ihm
nicht bleiben, bis sein Vater nach Hause kam, aber es sollte reichen.
Inzwischen hatte er schon einen guten Überblick über die
verschiedenen Briefumschläge, Geldbeutel und kleinen Kassendöschen, die seine
Eltern für die unterschiedlichsten Zwecke im Haus verteilt aufbewahrten. Heute
war das Urlaubsgeld an der Reihe: eine Plastiktüte, in die nach dem Einkauf
Wechselgeld in Münzen und manchmal auch der eine oder andere kleinere
Geldschein gesteckt wurde.
Die Tüte steckte hinter den Gästehandtüchern im Schlafzimmerschrank,
und Lukas musste sich strecken, um die Tüte herauszuziehen und sie hinterher
möglichst an denselben Platz zurückzuschieben.
Als Lukas wieder die Treppe hinaufschlich, war draußen plötzlich ein
Auto zu hören. Der Junge fuhr herum und sah gespannt zu dem kleinen Fenster
neben der Eingangstür hin. Doch der Wagen fuhr vorbei, der Lichtkegel der
Scheinwerfer streifte über die Treppe hinweg und ließ den Raum dann wieder im
Halbdunkel zurück. Lukas ging weiter die Treppe hinauf. Für einen Moment war es
ihm, als hätte sich Michaels Tür gerade leise geschlossen – aber wahrscheinlich
sah er aus lauter Angst, als Dieb entlarvt zu werden, schon Gespenster. Er
blickte noch einmal auf seine Hand hinunter, die drei Fünf-Euro-Scheine
umklammert hielt, dann ging er in sein Zimmer zurück und stopfte das Geld in
ein verstecktes Fach seines Mäppchens.
Rainer Pietsch war noch aufgehalten worden. Auf dem Weg
zum Parkplatz hatte er Ursel Weber getroffen, deren Sohn Benjamin hatte Lukas
ihm als einen der Jungen genannt, die ihn und Kevin verdroschen hatten.
»Frau Weber?«
Sie hörte ihn nicht gleich, sondern stöckelte eilig auf ihren Wagen
zu. Dort holte er sie schließlich ein.
»Frau Weber?«
Sie sah überrascht hoch.
»Herr Pietsch? Was ist denn?«
Während Rainer Pietsch noch überlegte, wie er dieses etwas heikle
Gespräch wohl am besten beginnen sollte, fiel Ursel Weber ein, was der Vater
von Lukas laut seiner Ansprache von vorhin unter vier Augen mit einzelnen
Eltern bereden wollte.
»Frau Weber, ich …«, begann Rainer Pietsch, aber die Frau schnitt
ihm gleich das Wort ab.
»Nein, Herr Pietsch«, sagte sie bestimmt und sah ihn mit abweisender
Miene an, »mein Benjamin steht Ihnen für Ihre Räuberpistolen nicht zur
Verfügung!«
Rainer Pietsch war völlig überrumpelt.
»Räuberpistolen? Wie …?«
»Sie haben vorhin angekündigt, dass Sie mit den Eltern jener Jungs
reden wollen, die angeblich Ihren Sohn und Kevin verhauen haben.«
»Ja, und Benjamin …«
»Sehen Sie! Und damit lassen Sie mich bitte in Ruhe. Mein Benjamin
tut so etwas nicht! Ihr Lukas soll gefälligst damit aufhören, unschuldige
Kinder anzuschwärzen! Und Sie, Herr Pietsch, sollten sich vielleicht etwas mehr
um die eigenen Kinder kümmern und weniger um die anderer Familien!« Damit riss
sie die Fahrertür auf, sah ihn herausfordernd an und stieg in ihren Kleinwagen.
Rainer Pietsch sah ihr verblüfft hinterher. »Mann, die muss ja unter
Druck stehen«, murmelte er im Weggehen, »wenn sie auf den kleinsten Verdacht
hin sofort an die Decke geht …«
»Hier, das ist Rico«, sagte Rosemarie Moeller und zeigte
ihrem Mann auf dem Bildschirm ein Foto des Jugendlichen, der immer wieder
vergeblich mit Sarah anbandeln wollte. Franz Moeller machte einen Eintrag in
seiner Schülerdatei und verknüpfte Ricos Bild mit Sarah Pietschs Datensatz.
»Wen haben wir noch?«, fragte er nach dem Zwischenspeichern.
»Die vier hier«, sagte Rosemarie Moeller und deutete auf einige
andere Bilder auf dem Monitor. »Aber mit wem du die verknüpfen sollst, weiß ich
nicht so recht: mit Kevin oder mit Lukas?«
Franz Moeller sah kurz seine Übersichtsliste durch, klickte sich
dann etwas tiefer in den Datenbestand und sagte schließlich: »Das müssen wir
vorerst wohl noch offen lassen.«
Der Morgen war kalt und es war noch dunkel, als die Kinder
aus allen Richtungen auf die Schule zuströmten. Es nieselte, und der feine
Regen bildete leichte Schleier vor den Straßenlaternen. Lukas schlug den Kragen
seiner Jacke hoch und stopfte seine Hände noch
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