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Kinder

Kinder

Titel: Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seibold
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aber Sie waren
wohl viel unterwegs.«
    »Ja, ja, und ich muss auch jetzt gleich wieder. Ein Kundentermin,
ich bin schon spät dran.«
    Christine Werkmann kam noch einen Schritt näher. »Ich brauche Ihre
Hilfe!«
    »Aha? Und wobei?«
    »Kevins Tod war kein Unfall!«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Zumindest passierte dieser Autounfall, bei dem er starb, nicht
einfach so, nicht zufällig.«
    Karin Knaup-Clement musterte den Gesichtsausdruck der Frau, aber
alles deutete darauf hin, dass sie tatsächlich meinte, was sie sagte. »Sie
meinen: Dieser Mann hat Ihren Jungen mit Absicht überfahren?« Sie schüttelte
den Kopf. »Das ist absurd, Frau Werkmann! Völlig absurd!«
    »Nein, so meine ich das nicht. Der Mann hat Kevin übersehen, dann
hat er ihn überfahren – ihn trifft weniger Schuld als diese Moellers.«
    Für einen Moment war Karin Knaup-Clement so verblüfft, dass ihr
keine passende Antwort einfiel. Dann erst brachte sie ungläubig hervor: »Die
Moellers?«
    »Ja, die Moellers. Sie ist Klassenlehrerin von Kevins 6d und er
macht mit ihr gemeinsame Sache – Sie wissen doch noch, was mit diesem Sören in
der Neunten passiert ist und dass der sich das Leben nehmen wollte?«
    »Frau Werkmann, so geht das nicht! Sie können nicht herumlaufen und
irgendwelche Lehrer beschuldigen, dass sie Ihren Sohn auf dem Gewissen haben.
Sie können froh sein, wenn die Moellers Sie nicht wegen übler Nachrede
anzeigen!«
    Christine Werkmann stand mit offenem Mund vor der Elternvertreterin,
ihre Augen schimmerten feucht.
    »Ich weiß, was Sie mitgemacht haben, Frau Werkmann. Und das ist
alles sicher furchtbar schwer für Sie, aber …«
    »Sie wissen gar nichts!«
    Kevins Mutter schrie den Satz geradezu heraus. Kurz zuckte Karin
Knaup-Clement zusammen, doch dann fing sie sich wieder, drehte sich um und ging
in die Garage. Als sie ihren Wagen langsam die Einfahrt hinunterrollen ließ,
stand dort noch immer Christine Werkmann und funkelte sie wütend an.
    »Sie haben doch keine Ahnung!«, rief sie so laut, dass es noch durch
die geschlossenen Wagenfenster zu hören war. »Wenn Ihre Tabea mal an der Reihe
ist, werden Sie mich verstehen – aber dann ist es zu spät.«
    Karin Knaup-Clement stieg hart auf die Bremse und war kurz davor
auszusteigen. Dann überlegte sie es sich doch anders, gab wieder Gas und bog
auf die Straße ein. Sie fuhr zunächst langsam und beobachtete Christine
Werkmann im Rückspiegel, bis sich das automatische Garagentor ganz geschlossen
hatte, dann schaltete sie hoch und beeilte sich, noch halbwegs rechtzeitig zu
ihrem Kunden zu kommen.
    Als Lukas nach der letzten Schulstunde aus dem Gebäude
trat, sah er sich schon aus Gewohnheit nach Marius und den anderen um. Er war
etwas länger auf seinem Platz sitzen geblieben und hatte noch ein paar Blätter
sortiert, die sich unter seinem Tisch angesammelt hatten. Drei der vier Jungs
hockten unter der großen Ulme und unterhielten sich leise, ihre Ranzen standen
neben dem Baum wie in Reih und Glied. Lukas sah sich nach Claas um, der fehlte
und nirgendwo auf dem Schulgelände zu sehen war. Langsam ging er in einem Bogen
um die Ulme herum und auf den Ausgang des Schulhofs zu, der ihn zur Bushaltestelle
führte.
    Die drei anderen sahen kurz zu ihm auf, Marius wirkte fast
erschrocken, und keiner der drei sagte ein Wort zu Lukas oder machte ein
Zeichen. Schließlich schienen sie das Interesse an ihm zu verlieren und
steckten wieder die Köpfe zusammen.
    Frido Hässler kam mit gemischten Gefühlen aus dem
Lehrerzimmer. Er wusste, dass draußen im Flur Christine Werkmann wartete – und
er konnte sich denken, dass sie sich erneut über Rosemarie Moeller beschweren
wollte. Mehrfach hatte sie ihn angerufen, hatte die Kollegin bezichtigt,
Mitschuld an Kevins Tod zu tragen – und so wenig er Rosemarie Moeller mochte,
so konnte er es doch nicht unwidersprochen lassen, dass sie hier mit so
offensichtlich abstrusen Beschuldigungen überzogen wurde. Es hatte einige Mühe
gekostet, sie zu einem persönlichen Gespräch mit ihm an der Schule zu
überreden. Und er hoffte, Christine Werkmann unter vier Augen wieder
einigermaßen zur Vernunft bringen zu können – aber je näher der verabredete
Termin rückte, desto weniger glaubte er an seinen Erfolg.
    Als er die Tür zum Flur öffnete, sah er Christine Werkmanns Rücken.
Sie sah zum Fenster auf den Schulhof hinunter und wirkte müde mit ihren
hängenden Schultern und den strähnigen Haaren.
    Das Geräusch der zufallenden Tür reichte aus,

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