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Kinder

Kinder

Titel: Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seibold
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um Kevins Mutter aus
ihren Gedanken aufzuschrecken. Die Frau drehte sich um – und verharrte mitten
in der Bewegung: Von der Seite kam Rosemarie Moeller mit eiligen Schritten
heran. Christine Werkmann erschrak, sah dann Frido Hässler fragend an, doch der
schüttelte verneinend den Kopf.
    Rosemarie Moeller hob eine Augenbraue, wurde aber nicht langsamer,
nickte Christine Werkmann knapp zu und strebte an Hässler vorbei ins
Lehrerzimmer. Als die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, schien sich
Christine Werkmann ein wenig zu entspannen.
    »Wollen wir?«, fragte Frido Hässler, reichte ihr die rechte Hand und
wies mit der anderen auf die Tür zum Besprechungszimmer.
    Christine Werkmann nickte, hielt seine Hand einen Moment zu lang
fest und ging dann dem Lehrer, der ihr die Tür aufhielt, ins Besprechungszimmer
voraus.
    Rico schob sein Moped bis zur Kreuzung, dann setzte er
sich auf den Sattel, gab mit beiden Beinen ein paarmal Schwung und ließ das
Moped im Leerlauf den Berg hinunterrollen.
    Das war ein Scheißtag gewesen. Erst war ihm kurz vor dem
Güterbahnhof die Karre abgestorben, und weder er noch einer seiner Kumpels
konnten sie danach wieder zum Laufen bringen. Nick meinte noch irgendetwas von
»Könnte teuer werden, Alter!«, aber die meiste Zeit hatten sie sich über ihn
lustig gemacht.
    Wegen des Mopeds zwar auch, vor allem aber wegen Sarah. Irgendwann
hatte er sich mal dazu hinreißen lassen, die hübsche Sarah als seine Freundin
zu bezeichnen – doch dann hatte einer aus der Clique zufällig beobachtet, wie
sie ihn an der Bushaltestelle hatte abblitzen lassen. Das musste er regeln,
wenn er nicht noch weitere Scheißtage wie diesen erleben wollte.
    Frido Hässler sah Christine Werkmann noch nach, dann ging
er zurück ins Lehrerzimmer, füllte sich an der Kaffeemaschine eine Tasse und ließ
sich schwer in seinen Stuhl fallen. Jörg Zimmermann, der neben ihm saß und sehr
zufrieden mit sich und der Welt wirkte, schaute kurz fragend zu dem Kollegen,
aber der stierte nur wortlos vor sich auf die Tischplatte und trank einen
Schluck Kaffee nach dem anderen.
    Strobel saß gegenüber, las in einem Sportmagazin und hatte eher
belustigt beobachtet, wie Hässler seinen Sitznachbarn völlig unbeachtet ließ.
Hässler schaute erst hoch, als er aus den Augenwinkeln Rosemarie Moeller bemerkte,
die sich dem Tisch näherte und vor Strobel einige zusammengetackerte Blätter
hinlegte.
    »Hier, Herr Strobel«, sagte Rosemarie Moeller und streifte Hässler
wie zufällig mit einem forschenden Blick. »Das sind die Texte, von denen ich
Ihnen erzählt hatte.«
    Strobel sah von seiner Zeitschrift auf und beäugte die Blätter aus
der Ferne. Es waren eng beschriebene Computerausdrucke, ungefähr fünfzehn bis
zwanzig Seiten, und oben auf der ersten Seite stand als Überschrift »Paedaea« –
soweit Hässler das entziffern konnte, ohne allzu auffällig hinzusehen.
    »Das wird Ihnen gefallen«, sagte Rosemarie Moeller und tat so, als
habe sie Hässlers Blick nicht bemerkt. »Disziplin ist für Sie doch auch noch
ein Wert, der in der Pädagogik einen wichtigen Beitrag leisten kann, nicht
wahr, Herr Strobel?«
    »Ja, sicher«, murmelte Strobel. Sogar der etwas stiernackige und
kraftstrotzende Kollege schien sich in Rosemarie Moellers Nähe unbehaglich und
unsicher zu fühlen.
    »Und Sie, Herr Hässler?«
    Der spöttische Unterton entging ihm keineswegs, und als er aufsah,
trafen sich ihre Blicke. Die Augen der Kollegin blitzten kalt und amüsiert
zugleich. Er fühlte, wie sich in seinem Nacken erste Härchen aufstellten.
    »Wäre etwas mehr Disziplin nicht auch für Ihren Unterricht eine gute
Handhabe?«
    »Ach, wissen Sie, Frau Moeller«, versuchte Hässler sich an einem
möglichst entspannten Tonfall, der ihm nur halb gelang, »ich komme mit meinen
Schülern auch ganz gut zurecht, ohne sie an der kurzen Leine durch den Stoff zu
führen.« Er war stolz darauf, dass ihm dieser Satz eingefallen war – aber der
höhnische Zug um Rosemarie Moellers Mund machte seinen Triumph sofort zunichte.
    »Sieht das Frau Werkmann auch so, Herr Hässler?«
    Er schluckte und starrte ihr in die Augen. Sie wich seinem Blick
nicht aus, sondern wartete ruhig ab.
    »Das darf ich Ihnen als Vertrauenslehrer natürlich nicht sagen.«
    »Ja, ich weiß.« Sie nickte und ging lächelnd zu ihrem Platz zurück.
    Lukas hörte seine Mutter telefonieren, dann ging sie aus
dem Haus. Er sah zur Uhr: Vater war noch im Büro, Michael hockte mal wieder
allein in

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