Kinderfrei
tropischen Regenwald). Der Import natürlicher Ressourcen und ökologischer Dienstleistungen ist nicht per se schlecht oder problematisch, doch in Zeiten der Verknappung von Rohstoffen und ökologischen Dienstleistungen sind nationale ökologische Defizite ein Hemmschuh für wirtschaftliche Prosperität. Die zum Ausgleich nötige Einfuhr von Biokapazität aus anderen Ländern (z. B. durch Erwerb von CO2-Emissionsrechten) wird teurer, und die Abhängigkeit von kostspieligen Importen schwächt die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Dies gilt umso mehr, wenn sich die ökologischen Gläubigerländer, also diejenigen Staaten, die über mehr Biokapazität verfügen, als ihre Bevölkerung verbraucht, erst einmal der Stärke ihrer Verhandlungsposition bewusst werden, die darin begründet liegt, dass sie über Naturkapital verfügen, auf das andere Länder auf Gedeih und Verderb angewiesen sind. Wer nicht zu den Verlierern von morgen zählen will, tut als Nation also gut daran, seine Abhängigkeit von Biokapazitätsimporten zu verringern. Interessant für die Diskussion um das Absinken der Bevölkerungszahl ist dabei vor allem die Tatsache, dass jedes Land, dessen Biokapazität nicht ausreicht, um den Verbrauch seiner Bevölkerung auf Dauer zu befriedigen, als überbevölkert definiert wird. 115
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Sehen wir uns an, was das für Deutschland bedeutet: Im Jahr 2006 betrug die deutsche Bevölkerung 82,64 Millionen. Damit stand pro Person 1,86 gha Biokapazität zur Verfügung. Der Ökologische Fußabdruck pro Person lag jedoch bei 4,03 gha. Das heißt, die Überschreitung der Biokapazität, und damit die Abhängigkeit von importierter Biokapazität, lag bei 53,8%. Unter Zugrundelegung des Pro-Kopf-Fußabdrucks hätte die in Deutschland verfügbare Biokapazität nur ausgereicht, um 46,2% der Bevölkerung auf Dauer zu versorgen. Die maximal tragbare Bevölkerung für Deutschland läge damit bei – Achtung, festhalten – 38,40 Millionen. Damit ist Deutschland überbevölkert. Auf dem Overpopulation Index der britischen Organisation Optimum Population Trust (seit 2011 unter dem Kampagnennamen Population Matters agierend), erstellt anhand der Verbrauchs- und Biokapazitätsdaten der einzelnen Nationen im Ecological Footprint Atlas 2009 , rangiert Deutschland auf Rang 31 von insgesamt 77 Ländern – zwei Plätze vor Indien. Bedenkt man die zunehmende Wichtigkeit der Unabhängigkeit von Biokapazitätsimporten für die internationale Wettbewerbsfähigkeit, bewegen wir uns also mit unserer sinkenden Bevölkerungszahl in die absolut richtige, zukunftsfähige Richtung – nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich. Hinzu kommt, dass der ökonomische Erfolg in einer modernen Volkswirtschaft nicht durch physische Arbeitskraft, sondern durch Technologie- und Kapitaleinsatz erzielt wird. Gerade in unserem konsumbasierten Wirtschaftssystem ist es nun einmal eine traurige Tatsache, dass die wichtigste Rolle der Menschen nicht in der Funktion als Arbeitskräfte liegt, sondern in der Funktion als Konsumenten. Daher hilft eine große Bevölkerung der Wirtschaft nicht unbedingt weiter: Wer keine Arbeit hat, hat in der Regel auch kein Geld für Konsum übrig. Nicht die Anzahl der Menschen ist entscheidend für den Konsum, sondern der Wohlstand der Menschen. Für einen Schuhhersteller etwa ist eine kaufwütige Imelda Marcos besser als Tausend Arbeitslose oder Geringverdiener.
Ungeachtet dessen schallt uns seit Jahren aus den Medien die Warnung vor einem drohenden Arbeitskräfte- oder zumindest Fachkräftemangel entgegen. So mahnte die Hartz-Kommission bereits 2002: »Bis zum Jahr 2015 fehlen im ungünstigsten Fall rund 7 Millionen Erwerbspersonen [Erwerbstätige, registrierte Arbeitslose und stille Reserve 116
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; Anm. d. Verf.], wenn man von einem Anstieg des Arbeitskräftebedarfs von knapp drei Millionen ausgeht.« 117
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Allerdings versprach dieselbe Kommission 2002 auch, dass durch die Umsetzung ihrer Vorschläge die Zahl der Arbeitslosen in drei Jahren, also bis 2005, um zwei Millionen reduzierbar sei. Das hat nicht ganz geklappt, wie wir alle wissen. Tatsächlich ist die Zahl der Arbeitslosen zwischen 2002 und 2005 gestiegen.
Um von einem Arbeitskräftemangel zu sprechen, müsste zunächst einmal nicht nur die registrierte Arbeitslosigkeit (im Jahr 2010 knapp 3 Millionen) größtenteils abgebaut werden, sondern darüber hinaus auch die nicht registrierte Unterbeschäftigung. Letztere bezieht sich auf
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