Kinderfrei
Menschen interessieren sich nun einmal in erster Linie für ihr eigenes Land, ihre eigene Gemeinschaft, und wer wollte es ihnen verübeln. Werfen wir also einen Blick auf die Situation in Deutschland.
Hier ist zunächst einmal festzustellen, dass der tatsächliche Rückgang der deutschen Bevölkerung in seinem Ausmaß in keiner Weise das Katastrophengeschrei und die Horrorszenarien rechtfertigt, die er in Medien und Politik ausgelöst hat. Der Rückgang der deutschen Bevölkerung beträgt gerade einmal läppische 0,2% pro Jahr. Bei Fortschreiten dieser Entwicklung wird für das Jahr 2025 eine Bevölkerungszahl von 79,7 Millionen und für das Jahr 2050 von 71,5 Millionen prognostiziert – gegenüber 81,6 Millionen Mitte 2010. 111
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Das ist wohl kaum die Vision eines entvölkerten, von Sümpfen und Wäldern überzogenen Landes, in dem wir uns in kleinen Stämmen zusammenrotten und gegen Wölfe und Bären verteidigen müssen. Zumal Deutschland heute mit 229 Personen pro Quadratkilometer eines der am dichtesten besiedelten Länder Europas ist.
Der Rückgang der Bevölkerung kann also nur gut sein, vor allem unter ökologischen Aspekten, denn Flächenversiegelung ist eines der drängendsten ökologischen Probleme der dicht besiedelten Industriestaaten. Unter Flächenversiegelung versteht man das Bedecken des natürlichen Bodens durch menschliche Bauwerke, wodurch kein Niederschlag mehr ins Erdreich eindringen kann, sodass der natürliche Wasserkreislauf empfindlich gestört wird. Diese Störung kann zu Trinkwassermangel, vermehrten Dürreschäden und stärkerem Hochwasser führen. Die Grundwasserbelastung und Schadstoffbelastung steigen, da weniger Nähr- und Schadstoffe im Boden gefiltert werden können. Zudem vermischen sich die Konsequenzen der Versiegelung mit denen von Landschafts- und Flächenverbrauch. Gerade der Straßenbau verhindert durch die Parzellierung der Landschaft die freie Beweglichkeit von Tieren, sie werden von Futterquellen, Brut- oder Laichplätzen abgeschnitten, eine genetische Verarmung tritt ein. Durch Zersiedelung breitet sich Flächenversiegelung immer weiter in unbebaute Gebiete aus. Das Umweltbundesamt schätzt, dass bereits gut 45% der Siedlungs- und Verkehrsflächen in Deutschland versiegelt sind. 112
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Der Bevölkerungsrückgang bietet die Chance, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten und darüber hinaus Flächen, die bisher vom Menschen genutzt wurden, der Natur zurückzugeben. Doch vergessen wir einmal für einen Moment die ökologischen Probleme und denken wir nur an unser Wohlbefinden. Eine weniger dichte Besiedelung, das bedeutet auch: weniger Staus, weniger Luftverschmutzung, weniger Lärm. Mit anderen Worten, einen Zugewinn an Lebensqualität.
Auch unter wirtschaftlichen Aspekten besteht in Deutschland kein Grund zur Sorge. Trotz einer rückläufigen Bevölkerung in den letzten Jahren haben wir die Wirtschafts- und Finanzkrise besser gemeistert als viele andere Länder. Und Russland, dessen Bevölkerung seit dem Ende des Kommunismus schrumpft, hatte 2002 mit 4,4% eine der höchsten BIP-Wachstumsraten der Welt. 113
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Es gibt also keinen begründeten Anlass für die Befürchtung, eine kleinere Bevölkerung sei gleichbedeutend mit wirtschaftlicher Schwäche. Hinge wirtschaftlicher Erfolg von der Größe oder dem Wachstum einer Bevölkerung ab, sähen die wirtschaftlichen Verhältnisse der Nationen weltweit ganz anders aus. Für eine prosperierende Wirtschaft sind schließlich viele unterschiedliche Faktoren entscheidend wie Bildung, Entwicklungsstand, Technologien, Arbeitsmarktpolitik. Allerdings belegt eine internationale Untersuchung aus 134 Ländern, dass sich Bevölkerungswachstum entgegen einem weitverbreiteten Glauben sogar negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirkt: Mit steigenden Geburtenraten geht das sozioökonomische Wachstum zurück. 114
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In Zukunft wird sich aufgrund der veränderten Gegebenheiten der Rückgang der deutschen Bevölkerung sogar als ausgesprochen vorteilhaft erweisen. Denn wie viele andere Industrienationen ist auch Deutschland ein ökologischer Schuldner: Es verbraucht mehr Biokapazität, als im eigenen Land zur Verfügung steht, und deckt diesen überschießenden Bedarf, das ökologische Defizit, zu einem nicht unerheblichen Teil durch den Import ökologischer Dienstleistungen aus anderen Ländern bzw. durch die Nutzung auswärtiger Ökosysteme für die Speicherung von CO2-Emissionen (z. B. im
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