Kinderfrei
der Begründung nicht beantragt hat, dieses sei eine unzulässige Einmischung des Staates in Privatangelegenheiten? Ich nicht.
Er feiert die Kinderfreien
Théophile de Giraud, 41, Philosoph und Schriftsteller aus Brüssel, beschäftigte sich in seinem Buch »L’art de guillotiner les procréateurs« mit der Frage, ob Fortpflanzung überhaupt ethisch vertretbar ist, und falls ja, unter welchen Bedingungen. Er ist Miterfinder der »Fête des non-parents«, einer Feier zu Ehren der Kinderfreien. 110
› Hinweis
Auf die Idee mit der Fête des non-parents sind meine damalige Freundin und ich 2007 im Wanderurlaub gekommen, weil wir so genervt davon waren, dass in jedem einzelnen Dorf diese aufdringlich-bunten Plakate hingen, die den Vatertag angekündigt haben. Am Anfang stand die Lust an der Provokation, aber mittlerweile hat sich herausgestellt, dass Leute, die sich wegen ihrer Kinderfreiheit als Freaks fühlen oder sich ständig rechtfertigen müssen, das Fest sehr zu schätzen wissen. Es hilft, sich weniger allein zu fühlen.
Meine eigenen Gründe für meine Kinderfreiheit sind ethischer Natur. Ich finde es zutiefst unmoralisch, ein Kind in die Welt zu setzen. Man setzt ein anderes Leben ungefragt einer Existenz aus, die letzten Endes immer mit Leiden verbunden ist. Auch wegen der Umweltzerstörung und Überbevölkerung erscheint mir das nicht vertretbar. Meine Freundin sieht die Sache nicht ganz so wie ich, aber die Beziehung zu mir ist ihr wichtiger. Mittlerweile, mit 41, lassen mich Familie und Freunde mit der Kinderfrage in Ruhe, aber manchmal, wenn ich jemanden kennenlerne und meine Weigerung, Kinder in die Welt zu setzen, erkläre, reagiert die betreffende Person mit Unverständnis und Aggression, nennt mich einen Misanthropen, einen Verrückten, einen Egozentriker, einen Freak oder eine unsoziale Persönlichkeit. In der Regel reagiere ich darauf mit Humor, versuche aber auch, meine Position noch besser und deutlicher darzustellen. Auch mit Medien und engstirnigen Journalisten bekomme ich immer wieder Ärger. Es ist offensichtlich, dass antinatalistische Denker in den Zeitungen und Fernsehstudios nicht willkommen sind.
Zugleich finde ich es immer wieder verblüffend, wie die Leute reagieren, wenn ich den Spieß umdrehe und sie frage, warum sie eigentlich Kinder wollen. Ihnen fällt nie was anderes ein außer: »Es ist normal, die Natur will es so.« Das Problem ist, die Natur »will« auch Dinge wie Mord und Vergewaltigung … Anscheinend haben die meisten Leute noch nie über das Richtig oder Falsch ihrer Entscheidung nachgedacht.
Die Familienpolitik in Belgien ist sehr gut im pronatalistischen Sinn. Offensichtlich will die Regierung viele neue Sklaven und ist bereit, für sie zu bezahlen. Dabei ist Belgien mehr als überbevölkert. Es ist eines der am dichtesten bevölkerten Länder der Welt, eine wahre Hölle für jemanden wie mich, der die unberührte Natur liebt. Überall sind Leute, die meisten von ihnen aggressiv und neurotisch. Sie hassen Verkehrsstaus, aber sie machen Babys. Ich versteh’ das nicht.
10 Ein Segen für Deutschland
Vielleicht fragen Sie sich mittlerweile, was das alles mit Deutschland zu tun hat. Schließlich findet doch der größte Teil des Bevölkerungswachstums in Afrika und Asien statt, und Deutschland, so werden Sie ins Felde führen, hat genau das entgegengesetzte Problem: Die Bevölkerung schrumpft. Das ist zugleich richtig und falsch. Richtig ist, dass die Bevölkerungszahl der Deutschen zurückgeht. Falsch ist allerdings, dass dies ein Problem darstellt.
Betrachten wir zunächst einmal die globale Perspektive. Es ist ein eklatanter Denkfehler, die beiden Entwicklungen – rasantes Bevölkerungswachstum dort, Rückgang der Bevölkerung hier – isoliert voneinander zu betrachten. Man kann nicht an einer Stelle Bevölkerungswachstum als Problem identifizieren und an anderer Stelle höhere Geburtenraten fordern. Wer so denkt – also die meisten westlichen Politiker und Mainstream-Journalisten –, hat die eigentlich völlig zu Recht aus der Mode gekommenen Begriffe »Erste Welt« und »Dritte Welt« offenbar zu wörtlich genommen. In Wahrheit gibt es nämlich nur eine Welt und eine Weltbevölkerung, und für deren Größe und Wachstum ist es völlig irrelevant, ob Geburten in Äthiopien oder Deutschland, in Kanada oder Indien stattfinden.
»Lokal handeln, global denken« ist zwar ein hübscher Slogan, aber er funktioniert in der Realität nur begrenzt. Die meisten
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