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Kinderseelen Verstehen

Kinderseelen Verstehen

Titel: Kinderseelen Verstehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Krenz
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hinter jedem Begriff eine subjektive Sichtweise und eine bestimmte Einschätzung des Problems, das allerdings überwiegend nur dem Kind zugewiesen wird.
    Zunächst: Kein Kind wird früh am Morgen aufwachen, aufstehen und sich gezielt darauf vorbereiten, die Eltern oder andere Personen zur Verzweiflung bringen zu wollen. Ebenso wenig fallen Auffälligkeiten wie Regentropfen vom Himmel, um Kinder verhaltensauffällig werden zu lassen, noch sind »Verhaltensauffälligkeiten« angeboren oder genetisch vorprogrammiert. Wenn der Computer streikt, das Auto nicht mehr anspringen will oder der Fernseher keine Bilder mehr zeigt, sprechen wir von »Störungen«. Diese bringen unsere aktuellen, persönlichen Absichten völlig durcheinander und lassen üblicherweise nur zwei Gedankengänge zu: Zum einen ist das technische Objekt gestört und zum anderen bedarf es entsprechender Fachleute, um den infrage kommenden »Defekt« zu lokalisieren und anschließend zu reparieren. Diese Form des Denkens hat auch im Umgang mit Kindern eine lange Tradition. Allerdings gibt es gravierende Unterschiede zwischen nicht mehr funktionierenden Geräten und Kindern. Kinder
sind individuelle, dynamische Personen mit eigenen Erfahrungen, Erlebnissen und Bedürfnissen;
können nicht »defekt« sein, weil der »menschliche Bauplan« keine statische, starre Größe ist;
haben ihre besonderen Verhaltensmerkmale durch die Kommunikation und Interaktion mit unterschiedlichen Menschen und in vielfältigen Situationserfahrungen entwickelt;
haben ein dynamisches Eigenleben, das sowohl aus reaktiven (also reagierenden) Verhaltensweisen als auch aus aktiven, selbstbestimmten Handlungsimpulsen besteht;
lassen sich – wie alle Menschen – sowohl von eigenen als auch erlebten Stimmungen und Gefühlen beeinflussen.
    Und schließlich ist es den Erwachsenen möglich, selbst in das eigene System (zum Beispiel von starren, unberechtigten Erwartungen) einzugreifen, um Veränderungen für Kinder möglich werden zu lassen.
    Damit werden die Unterschiede deutlich: Auffällige Verhaltensweisen »entwickeln sich aus Beziehungen heraus« (Finger/Simon-Wundt 2003, S. 16). »Treten Störungen und Auffälligkeiten bei Kindern auf, so sind auch immer die Beziehungen gestört, insbesondere die zu Erwachsenen« (Becker-Textor 1988, S. 115), wobei »unerfüllte Grundbedürfnisse eine ausschlaggebende Rolle spielen« (Strobel 2005, S. 23). Kinder mit auffälligen Verhaltensweisen sind stets »Symptom für kranke Beziehungen, Fehler und Mängel in der Erziehung, die Kinderfeindlichkeit der Gesellschaft u.Ä.« (Becker-Textor 1997, S. 11).
    Die Frage, wie nun »abweichendes Verhalten« definiert oder näher beschrieben werden kann, ist gar nicht so einfach zu beantworten. Finger und Simon-Wundt (2003) äußern sich, welches Verhalten definitiv als Störung gilt, wie folgt:
    »Sollten wir eine Liste von Verhaltensstörungen aufstellen, wäre es schwierig zu entscheiden, welches Verhalten dazugehört. Ist ein vorlautes Kind verhaltensgestört? Oder ein trauriges Kind oder ein Kind, das sich schmutzig macht? Ist Aufsässigkeit in der Pubertät oder der Rückzug ins eigene Zimmer, um laute Musik zu hören, ein Zeichen für eine beginnende Störung oder ein ganz normaler und notwendiger Entwicklungsschritt? Wir können diese Frage nicht allgemein beantworten. Denn um ein Verhalten als Störung zu bezeichnen, dürfen wir nicht alleine auf das Kind blicken, sondern müssen fragen, wie (...) (Erwachsene) dieses Verhalten erleben. Warum fühlen sie sich so gestört? (...) Fast jedes kindliche Verhalten kann zur Störung werden, wenn sich ein anderer dadurch getroffen fühlt. Dies kann zum Beispiel geschehen, sobald das Verhalten des Kindes an Probleme der Erwachsenen rührt. (...) Je mehr das Verhalten eines Kindes sie ärgert oder verunsichert, umso weniger Gelassenheit können sie ihm gegenüber aufbringen. Denn ihre Gefühle bestimmen auch ihr Verhalten. Sie werden strenger, schimpfen mehr, lassen das Kind ihre Enttäuschung deutlich spüren. (...) Das verstärkt seine Auffälligkeiten, weil es sich einerseits unverstanden oder auch ungeliebt fühlt. (...) Ein Teufelskreis ist entstanden, in dem sich beide Seiten immer weniger verstehen und immer weiter voneinander entfernen. (Solche) Teufelskreise sind sich steigernde Beziehungsstörungen. Jeder sieht im Verhalten des anderen die Ursache der Schwierigkeiten und erklärt das eigene Verhalten nur als Folge. (...) Erst wenn ein Beteiligter

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