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Kinderseelen Verstehen

Kinderseelen Verstehen

Titel: Kinderseelen Verstehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Krenz
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Seelennahrung. Wenn, wie in diesem Fall, Jonas »den Hals nicht vollkriegt«, dann drückt er damit aus, nicht wirklich die Seelennahrung zu bekommen, die er nötig hätte. Dabei bemerkt er sehr wohl, dass er – auch äußerlich – anders ist als die anderen Kinder. Er sieht, dass er nicht so schnell wie die anderen laufen, nicht so hoch klettern und nicht so geschickt hüpfen kann. Auch lassen ihn – vor allem die Jungen im Kindergarten – deutlich spüren, dass er für vieles einfach »zu dick, zu träge und zu ungeschickt« ist. Er eignet sich aus ihrer Sicht weder zu einem guten Torwart noch zu einem geschickten Schwertkämpfer. Jonas beginnt daraufhin immer ausgeprägter, sich »ein dickes Fell zuzulegen« – als Schutz vor weiteren Enttäuschungen und als Abwehr vor vermuteten Überforderungen. Damit gerät er in einen psychosozialen Kreislauf, aus dem es immer schwerer wird zu entkommen. Jonas stopft deshalb so viel in sich rein, weil er auf der Suche nach der richtigen Seelennahrung ist – doch die findet er nicht. Die Hoffnung, vielleicht beim nächsten Mal »satt zu werden«, wird nicht erfüllt. Und so bleibt der Kreislauf der vergeblichen Suche bestehen.
    → Praktische Hinweise
    Für Jonas ist eine Seelennahrung nötig, die ihn selbstständig werden lässt, die ihn zu einer schrittweisen Unabhängigkeit von seinen Eltern führt und die ihm ein Selbstbewusstsein vermittelt, das ihm persönliche Stärke schenkt. Diese Möglichkeit haben ihm bisher weder die Eltern noch die Erzieherinnen in seiner Kindertagesstätte geboten. Vielmehr unterstützen sie seine eingelegte »Schonhaltung« und machen es ihm immer schwerer, neue Handlungsaktivitäten kennenzulernen und stolz auf eigene Leistungen zu sein. Doch das ist der einzige Ausweg aus dem Dilemma.
    »Am liebsten esse ich nur Süßes« – Kinder ohne tiefe Glückserlebnisse
    Torben, acht Jahre alt, besucht die 3. Klasse einer Grundschule. Er zeigt in allen Fächern durchschnittliche Schulleistungen und läuft nach Aussage der Klassenlehrerin »im Mittelfeld« mit. Weiter führt sie aus: »Allerdings ist er sehr verschlossen und es ist mir noch nie gelungen, ihn entspannt oder lachen zu sehen. Wenn man ihn auf dem Schulhof oder in der Klasse beobachtet, sieht es fast so aus, als wäre er stets traurig. Sein Blick ist meist nach unten gewandt, und auch wenn Torben eine gute Note oder eine bemerkenswerte Leistung bringt, nimmt er das weitestgehend emotionslos zur Kenntnis. Es scheint so, als trage er irgendeine seelische Last mit sich herum.
    Was aus meiner Sicht hingegen gar nicht dazu passt, ist sein Bedürfnis nach Naschkram. So kommt es häufig vor, dass er eine Tüte voller Süßigkeiten auf seinem Platz liegen hat und während des Unterrichts davon nascht. In der Klasse hat er schon den Spitznamen ›Die Naschkatze‹ zugeschrieben bekommen. In den Pausen geht er zum Schulkiosk und kauft dort irgendwelche Schokoriegel. Und während unserer Klassenfahrt oder unserer Tagesausflüge, die wir einige Male im Jahr unternehmen, sieht man Torben fast immer kauen. Wenn seine Klassenkameraden ihn um Süßigkeiten bitten, gibt er auch gerne mal was ab. Mich wundert nur, dass er nicht zunimmt. Ich kenne Torben schon seit der Einschulung und kann mich auch noch daran erinnern, dass seine damalige Erzieherin aus seiner Kindergartenzeit bei der Übergabe der Kinder meinte, wir sollten ein wenig auf sein Essverhalten achten. Irgendwann würde er aus allen Nähten platzen, weil er ständig Süßkram bei sich hätte.«
    → Der entscheidende Ausschnitt aus dem biografischen Hintergrund
    Im Gespräch mit den Eltern ergab sich folgende Familiensituation: Torben ist das zweite Kind der Familie, wobei seine Schwester sechs Jahre älter ist als er. Von Anfang an verglichen beide Eltern ihren Sohn mit ihrer Tochter, die ihnen in der gesamten Entwicklungszeit »nur Freude bereitete«. Sie war von Anfang an an allem interessiert, lernte mit knapp drei Jahren das Flötenspiel, mit fünf Jahren nahm sie Klavierunterricht und schon ein Jahr später besuchte sie eine Ballettschule. In allen drei Schwerpunkten war sie eine gelehrige und fleißige Schülerin und ihre Auftritte – im Kindergarten, in der Musik- und Ballettschule, bei öffentlichen Feiern – waren stets von öffentlicher Anerkennung und Erfolg gekrönt. Schon vor der Einschulung konnte sie lesen und erste Sätze schreiben. Bei einem Intelligenztest stellte sich heraus, dass man bei ihr wohl von einer Hochbegabung

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