Kinderseelen Verstehen
Vollkornbrot, knackige Äpfel, Karotten, Kohlrabi ...), kann dies bedeuten, dass Kinder, die in Problemsituationen stecken, gerne diese Probleme lösen wollen (»eine harte Nuss knacken«). Kinder, die harte Speisen ablehnen, lehnen damit symbolisch aufwendige oder schwierige Problemlöseversuche eher ab;
sich beim Brot die Kruste abschneiden oder das Obst schälen lassen, offenbaren sie eine Tendenz zur Anstrengungsvermeidung und wollen in entsprechend schwierigen Situationen einen eher leichteren Weg gehen, um an ihr Ziel zu kommen.
Sprechen und Sprache
»Nachts kommen immer die Gespenster in mein Zimmer« – Dunkelheit löst Lebensängste aus
Felix, sechs Jahre alt, kommt jeden Morgen recht unausgeschlafen in den Kindergarten. Müde, gähnend und langsam schleichend betritt er seine Gruppe, wirft ein kurzes »Guten Morgen alle miteinander« in den Kreis der Anwesenden und begibt sich an seinen Lieblingstisch in der Ecke des Raumes, legt seine Arme auf den Tisch, stützt seinen Kopf darauf und begutachtet erst einmal alles um sich herum.
Die Mutter, der das Ganze ein wenig peinlich ist, geht auf die Erzieherin zu und meint: »Sie müssen nicht glauben, dass Felix bis spät in die Nacht fernsieht oder an seiner Spielkonsole klebt. Nein, das ist es wirklich nicht. Wie schon zu erwarten war, kamen seiner Meinung nach heute Nacht wieder die Gespenster in sein Zimmer und haben ihn besucht. Dann ist er in Schweiß gebadet und schreit. Er sitzt erst im Bett und ruft nach uns. Wir haben ihm schon tausendmal klargemacht, dass es keine Gespenster gibt und dass diese Figuren nur in seiner Fantasie existieren. Doch es nützt alles nichts. Dann wollte Felix in unser Bett, um bei uns zu schlafen. Wieder mussten wir ihm klarmachen, dass das nicht möglich sei, schließlich müssen mein Mann und ich ausgeschlafen zur Arbeit. Felix, der sich zudem viel im Schlaf bewegt, lässt uns nicht wirklich zur Ruhe kommen. In wenigen Monaten kommt unser Sohn in die Schule, und bis dahin muss es einfach besser werden.
Unser Kinderarzt hat schon empfohlen, dass wir Felix am Abend homöopathische Beruhigungstropfen geben. Doch das wirkt auch nicht. Wenn er wach ist, beschreibt er uns in allen Einzelheiten , wie die Gespenster unter dem Bett hervorkriechen, aus seinem Kleiderschrank schweben und sich dann mit vorgestreckten Händen auf ihn stürzen wollen. Vielleicht haben Sie ja hier im Kindergarten irgendwelche Geschichtenbücher vorgelesen oder Märchen erzählt, die von Gespenstern handeln und die ihn nun schon seit Wochen belasten ...«
→ Der entscheidende Ausschnitt aus dem biografischen Hintergrund
Felix hat noch vier Geschwister (zwei jüngere Brüder, zwei ältere Schwestern) und beide Eltern gehen ihrer Berufstätigkeit nach. Die Mutter unterrichtet in einer Gemeinschaftsschule und ist dort sehr engagiert, der Vater ist Studienrat an einem Gymnasium und lebt diesen Beruf mit Leib und Seele. Wenn man in die Familie von Felix hineinschaut, dann scheint nahezu alles in einem Eiltempo abzulaufen. Schon früh am Morgen muss das Badezimmer fast termingerecht genutzt werden, damit alle »in Ruhe« ihre Morgentoilette vornehmen können. Dann folgt die Frühstückszeit, bei der alle ihre eigenen Vorlieben, Abneigungen und Besonderheiten pflegen, es werden (letzte) Absprachen für den Tag getroffen. Dann steht das Fertigmachen an, die beiden Mädchen verlassen das Haus, der Vater liefert die beiden Jüngsten auf dem Weg zur Schule in der Krippe ab und die Mutter setzt Felix auf ihrem Weg zur Schule im Kindergarten ab. Zeit ist dabei kostbar, und es ist verständlich, wenn der Tag aus Sicht der Eltern möglichst reibungs- und komplikationslos abläuft.
Felix, der Mittlere, steht »zwischen den Stühlen«. Die beiden Jüngsten nehmen gerade am Nachmittag ihre Eltern sehr in Beschlag, wenn sie aus der Krippe abgeholt werden und die Eltern anschließend immer versuchen, wenigstens für ein bis zwei Stunden mit ihnen zu spielen. Am Frühabend versuchen die Eltern ihre Stunden- und Arbeitsvorbereitung hinzubekommen, bevor am späteren Abend die älteren Mädchen die Eltern für sich beanspruchen wollen. Teilweise geht es um Probleme mit Freunden und Freundinnen, teilweise lassen sie sich von ihren Eltern noch Unterrichtsinhalte erklären, Vokabeln abhören oder Vorbereitungstipps für Klassenarbeiten geben. Felix bleibt während der gesamten Zeit irgendwo auf der Strecke. So richtig nimmt ihn keiner wahr und auch nicht wirklich ernst. Will
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