Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinderseelen Verstehen

Kinderseelen Verstehen

Titel: Kinderseelen Verstehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Armin Krenz
Vom Netzwerk:
fixiert und »leben ihr Leben«.
    Es kann passieren, dass die Eltern »vergessen«, Tim aus dem Kindergarten abzuholen, weil sie mit Freunden oder Bekannten zusammen sind, oder es kommt auch schon einmal eine Nachbarin der Familie zum Kindergarten, um Tim mit nach Hause zu nehmen. Der Abend ist fast immer mit Fernsehgucken ausgefüllt, wobei der Fernseher auch tagsüber angestellt ist, auch wenn niemand eine Sendung anschaut. Nicht selten kommt es zu lautstarken Auseinandersetzungen zwischen den Eltern (auch unter Alkoholeinfluss), die in der letzten Zeit immer öfter eskalieren. Abends bleibt Tim unregelmäßig lange auf. Entweder ist er beim Fernsehschauen dabei und wird dann immer wieder ermahnt, endlich ins Bett zu gehen, oder er spielt in seinem sehr kleinen Kinderzimmer. Dann macht er sich irgendwann bettfertig und schläft ein. Gemeinsame Abendrituale am Bett (Vorlesen, Gutenachtgeschichten, Kuscheln oder Ähnliches) gibt es nicht.
    → Bedeutungswert
    Tim erlebt in seinem häuslichen Alltag Unregelmäßigkeiten, fehlende Tagesstrukturen, Unzuverlässigkeiten und Orientierungslosigkeit. Zusätzlich macht er während der häufigen Streitereien zwischen seinen Eltern die Erfahrung: »Wer am lautesten schreit, hat die Oberhand. Wer noch lauter schreit als der andere, ist der Sieger, der Gewinner.« All diese Einflüsse sorgen bei Tim für eine Unsicherheit, und er weiß nicht, ob er für seine Eltern wichtig ist oder nicht, ob er in seinen Eltern Bündnispartner hat oder sich alleingelassen fühlen muss, ob er irgendetwas als verlässlich ansehen darf oder ob seine Lebenswelt durch Zufälle beeinflusst ist. Aus dieser Angst heraus – Wer bin ich eigentlich, wer darf ich sein? – ergibt sich seine Sorge, übersehen und überhört zu werden. Folgerichtig bringt sich Tim mit seiner lauten Stimme immer wieder ins Gespräch. Und durch die anschließende Aufmerksamkeit, die er dadurch erfährt, weiß er: »Ich werde wahrgenommen. Ich bin wer.«
    → Praktische Hinweise
    Kinder mit einer sehr lauten Stimme besitzen in der Regel kein oder nur ein sehr eingeschränktes Selbstwertgefühl. Auf Tims Situation übertragen bedeutet das: Es muss sich auf drei Ebenen etwas ändern, damit der Junge es nicht mehr nötig hat (nötig = in einer Not sein!), immer wieder seine Lebensexistenz zu überprüfen und durch die anderen bestätigen zu lassen:
    1. Tim braucht Sicherheiten – feste Abläufe, feste Rituale, feste Strukturen, feste Verlässlichkeiten im Alltag.
    2. Tim braucht vielfältige Möglichkeiten, sein Selbstwertgefühl aufzubauen. Er muss durch vielfältige Handlungserfahrungen merken: »Ich bin wer und ich kann was.« (In der Psychologie sagt man, diese Kinder müssen ein »positives Selbstkonzept« entwickeln und »Selbstwirksamkeitsüberzeugungen« erleben.)
    3. Tim braucht werteorientierte Vorbilder. Damit sind Personen gemeint, die er einerseits mag und als Beziehungspartner gerne um sich hat, die ihm andererseits durch ihr Verhalten zeigen, dass beispielsweise Konflikte durch gewaltfreie Kommunikation – und nicht durch Anschreien – gelöst werden können, dass einige Abende in der Woche auch ohne Fernseher angenehm gestaltet werden können, zum Beispiel durch gemeinsame Spielabende.
    Anmerkung: Seelisch sichere Menschen haben es nicht nötig, in Konflikten oder bei Unterhaltungen zu schreien. Sie legen auch keinen Wert auf eine Rechthaberei oder darauf, als »Sieger« aus Diskussionen herauszukommen. Sicherheiten machen ein lautes Schreien gänzlich überflüssig. Das trifft auf Erwachsene ebenso wie auf Kinder zu.
    »Feuer ist was Geiles« – Wenn die eigenen Sorgen immer größer werden
    Maximilian, sieben Jahre alt, spricht nur über eines: Feuer. Ob zu Hause, in seiner Freizeit oder in der Grundschule – überall bringt er sein Thema »Feuer« ein. Wenn er beispielsweise zu Hause spielt, baut er mit seinen Legosteinen ein Haus und ein weiteres Gebäude wird zum »Feuerwehrgerätehaus«. Davor stehen zwei Löschfahrzeuge. Mit rotem Krepppapier oder roten Stofffetzen überdeckt er dann das Wohnhaus und ruft lauthals »Feuer!«. Zunächst rettet er dann die Personen, die im Haus wohnen, lässt dann einen Krankenwagen heranrauschen und verbindet die Menschen an ihren verbrannten Körperstellen. Anschließend kommt mit großem »Tatütata« die Feuerwehr zum Unglücksgeschehen. Es werden die kleinen Schläuche ausgerollt und mit der Zeit, wenn der Löschvorgang getätigt wird, nimmt Maximilian die roten

Weitere Kostenlose Bücher