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Kindersucher - Kriminalroman

Kindersucher - Kriminalroman

Titel: Kindersucher - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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einen Zugang zu einem Treppenhaus im Wasserturm hatte. Die Eingangstür war fast vollkommen mit Spinnennetzen verdeckt, und darunter erwartete ihn ein verrostetes Schloss. Die Spinnweben waren so klebrig wie Zuckerwatte, als er sie zur Seite fegte. Dann benutzte er den Dietrich seines Armeemessers; seine Finger bewegten sich mit der jahrelangen Erfahrung, die er seiner Zeit als Kundschafter im Krieg und auch als Kriminalbeamter in Berlin verdankte. In weniger als fünf Sekunden öffnete sich das Schloss mit einem Klacken.
    Tauben flatterten durch den riesigen Raum, das Echo ihrer Flügelschläge hallte laut von den Wänden wider. Die alten Pumpen und Generatoren waren schon lange abgebaut worden, und die Staubschicht auf dem Boden war so dick wie ein Teppich. Kraus suchte sich seinen Weg mit der Taschenlampe, wobei er vorsichtig weiterging. Ihm wurde etwas leichter ums Herz, als der Strahl seiner Taschenlampe auf ein Schild mit der Aufschrift WASSERTURM fiel. Die Tür darunter war aus dickem Stahl und, der Gummidichtung nach zu urteilen, die sie umrandete, auch hermetisch dicht. Das Schloss war sehr viel komplizierter als das erste. Kraus brach der Schweiß aus. Aber schließlich beugte es sich seiner Geschicklichkeit ebenfalls, und als er die Tür öffnete, fauchte ein starker Windstoß über seine Schulter. Er sah sofort, dass dieser von außen so verfallen wirkende Turm innen eigenartigerweise vollkommen renoviert worden war. Und er diente ganz offenbar einem ganz bestimmten Zweck, denn Wände und Decken waren mit einem dicken Isoliermaterial bedeckt, die Fenster wiesen eine Dreifachverglasung auf, und der Boden war mit Gummimatten ausgelegt; so als hätte jemand alle nur erdenklichen Maßnahmen ergriffen, um sämtliche Geräusche oder Vibrationen auszuschalten.Was Kraus sehr gelegen kam. Er packte die Luger fester. Wenigstens konnte er so seine Anwesenheit möglichst lange geheimhalten.
    Sowohl im Erdgeschoss als auch im ersten und zweiten Stockwerk wiesen die Stahltüren keinerlei Schlösser auf und schienen sogar luftdicht versiegelt. Es führte kein Weg hinein. Eine eisige Furcht drohte Kraus zu lähmen. Hatte er einen Fehler gemacht? Hätte er auf das Eintreffen der Verstärkung warten und dann den Turm mit so viel Männern wie möglich stürmen sollen? Sein Herz hämmerte, als er die dritte und letzte Treppe hinaufging und sich vorstellte, dass sich Erich und Heinz irgendwo auf der anderen Seite befanden und eine andere luftdicht verschlossene Stahltür vor der Nase hatten. Kraus schickte sich gerade an, vor Wut mit den Fäusten dagegen zu hämmern, als er bemerkte, dass diese Tür nicht hermetisch verschlossen war und ein Schloss hatte. Er riss mit Leibeskräften an dem Griff, und sein Herz schlug ihm fast bis zum Hals, als die Tür sich langsam öffnete.
    In dem Raum dahinter herrschte totale Stille und völlige Finsternis. Bis sich seine Augen allmählich an die Dunkelheit gewöhnten. Dann erkannte Kraus an den Wänden Schränke mit Ausrüstungsgegenständen, Flaschen, Gläser mit geheimnisvollen Tinkturen, alles penibel sortiert und etikettiert. Auf langen weißen Tischen standen hochkompliziert wirkende Geräte mit Anzeigen und Schaltern, und überall waren Drähte. Die Luger lag warm in seiner Hand, während er vorsichtig weiterging, bis er ein gedämpftes Geräusch hörte. Er presste sich sofort flach an eine Wand. Ein kurzer Blick sagte ihm, dass sich hinter einer Reihe von Apparaturen rechts von ihm eine Art Durchgang befand. Er duckte sich rasch hinein.
    Der Gang war nicht besonders lang, führte nur ein paar Schritte weit und mündete dann in einen anderen Raum. Was Kraus da sah, schnürte ihm die Kehle zu. Im Vergleich zu diesemAnblick hatte Magdas Verlies fast menschlich ausgesehen. Oder wenigstens hatte es sich innerhalb der Grenzen erkennbarer Grausamkeiten befunden.
    Der Raum erstreckte sich über die ganze Grundfläche des Wasserturms und wurde von hellen Scheinwerfern an der Decke erleuchtet. An jeder der sechs Wände stand ein riesiger Glaskäfig, wie man sie im Zoo für Vögel oder Echsen benutzte. Nur waren in diesen Käfigen Jungen auf Stühle gefesselt, Rücken an Rücken, jeweils in Paaren. Auf den ersten Blick sahen sie gesund aus. Sie trugen saubere weiße Krankenhauskittel und Pantoffeln an den nackten Füßen. Aber als Kraus sich auf ihre Köpfe konzentrierte und die Augen zusammenkniff, um sicherzugehen, dass ihm die Schatten keinen Streich spielten, stellte er fest, dass

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