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Kindersucher

Kindersucher

Titel: Kindersucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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war, holte tief Luft und versuchte, seinen Herzschlag zu kontrollieren. Trotz der morgendlichen Kühle tropfte ihm der Schweiß von der Stirn und vom Hals, sammelte sich unter seinen Armen und ließ ihm das Hemd auf dem Rücken kleben. Er hatte angeordnet, dass sechs mit Gewehren bewaffnete Abteilungen der Schutzpolizei Punkt sieben hier sein sollten, aber die letzte war immer noch nicht eingetroffen. Er wollte das Lagerhaus nicht mit zu wenig Leuten stürmen, aber viel länger konnte er nicht mehr warten. Neben ihm lächelte Gunther mit beinahe engelsgleicher Geduld, so als wartete er nur auf sein Frühstück. Aber der Junge hatte auch noch nie zuvor einen richtigen Kampf erlebt.
    Und es war auch nicht Gunthers Sohn, der entführt worden war.
    Kraus versuchte, trotz des schmerzhaften Kloßes in seinem Hals, zu schlucken.
    Die Männer, die letzte Nacht die Lagerhalle am Maybachufer 146 betreten hatten, waren mit Thompson-Maschinenpistolen bewaffnet, hatte sein Assistent berichtet. Das mochte in Chicago vielleicht an der Tagesordnung sein, aber nicht hier. In diesem Lagerhaus ging irgendetwas Großes vor. Und ungeachtet der Gefahren für die unmittelbare Nachbarschaft war ein bewaffneter Angriff die einzige Möglichkeit, herauszufinden, was es war. Und es war auch die einzige Chance, Erich und Heinz herauszubekommen. Falls sie überhaupt dort waren.
    Die Unsicherheit brannte ihm in den Augen, drohte ihn zu lähmen und ihn vor Gram zu verzehren. Er hatte schon einige lange Nächte in seinem Leben überstanden, aber keine war so schlimm gewesen wie die letzte. Von dem Augenblick an, als er gehört hatte, dass ein Eiswagen die beiden Kinder entführt hatte, lastete eine unerträgliche Qual auf seiner Brust, die ihn bei jedem Atemzug zu zerquetschen drohte. Außerdem musste er sich gegen die aufgewühlten Gefühle von Vicki und den Winkelmanns behaupten, eine Mischung aus glühender Qual und gegenseitigen Schuldzuweisungen.
    Kraus blickte erneut auf seine Uhr.
    Fünfzehn Stunden und dreißig Minuten. Was musste Erich denken? Fühlte er sich von seinem Vater im Stich gelassen? Hatte der kleine Heinz sich in die Hose gemacht, wie er es an jenem Tag im Lunapark beinahe getan hätte? Welche Schrecken sie erdulden mussten ...
    Falls die Kinder überhaupt dort waren ...
    Kraus ertrug es nicht, auch nur daran zu denken, sonst würde er noch wahnsinnig werden.
    Der Sekundenzeiger weigerte sich, langsamer zu laufen. Der große, hölzerne Prahm dümpelte sacht auf den Wellen. Auf der anderen Seite des Kanals brachte ein Lastwagen bereits die Morgenzeitungen zum Kiosk. Und in der Nähe, direkt gegenüber vom Lagerhaus, hastete ein Bäcker, der Körbe mit frischen Brötchen austrug, mit einer langen weißen Schürze über die Straße. Kraus konnte sie beinahe riechen. Ein Mädchen mit einem kurzen Pony, in einer Seemannsjacke und einem dünnen weißen Rock, den der Wind um ihre Beine wehen ließ, hüpfte aus einem der Gebäude. Es war drei Minuten vor acht. Sein Magen verkrampfte sich. Sie hatten einfach keine Zeit ...
    Gunther stieß ihm den Ellbogen in die Seite und deutete auf das Dach eines Gebäudes gegenüber. Drei kurze Blitzsignale mit einem Spiegel deuteten an, dass endlich alle Schutzpolizisten Stellung bezogen hatten.
    Keine Minute zu früh.
    »Antworten Sie«, flüsterte Kraus wütend.
    Gunther schluckte und erwiderte das Zeichen mit seinem Spiegel.
    Dann blitzten überall Spiegel auf, und aus einem Dutzend Richtungen näherten sich geduckte Gestalten, die Gewehre schussbereit in den Händen. Kraus holte seinen Feldstecher hervor und richtete ihn auf das Lagerhaus Nummer 146. Okay, sagte er lautlos. Erledigen wir es schnell und sauber.
    Plötzlich flog ein Fenster im ersten Stock auf; eine Frau mit einem Kopftuch schüttelte einen kleinen roten Teppich aus und begann, ihn mit einem Klopfer zu bearbeiten. Um Himmels willen, schnell, drängte Kraus lautlos seine Leute. Ein Kind etwa in Erichs Alter, in einem blauen Serge-Anzug mit Knickerbocker-Hose, hatte sich zu dem Mädchen mit ihrer Seemannsjacke gesellt. Sie trugen beide große Lederranzen auf dem Rücken. Ihre glänzenden Schuhe klackten auf dem Bürgersteig, als sie losliefen.
    Gerade als die erste Angriffswelle das Lagerhaus fast erreicht hatte, hallte jedoch lautes Knallen über die Straße, so als hätte jemand eine Champagnerflasche geöffnet. Dem Geräusch folgten ein halbes Dutzend weiterer. Und in den Häusern auf der gegenüberliegenden Straßenseite

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