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Kindersucher

Kindersucher

Titel: Kindersucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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Kraus hatte ihn in die Ecke getrieben. Heilbutt konnte nirgendwo hin und auch nicht an ihm vorbei, falls er nicht über Bord springen wollte. Als der Mann das realisierte, warf er noch einen kurzen Blick über die Reling und drehte sich dann zu Kraus herum. Sein Gesicht war kreidebleich, und er atmete schwer.
    »Also gut, Sie haben mich erwischt. Sind Sie jetzt stolz, Kraus? Sie haben einen Mann gestellt, der doppelt so alt ist wie Sie. Und? Was haben Sie jetzt vor? Wollen Sie mich in eine Zelle stecken?«
    Nach der Verfolgungsjagd, die ihm dieser alte Bursche seit Berlin geliefert hatte, hätte Kraus größte Lust dazu gehabt.
    Es war eine kalte, klare Nacht. Sterne säumten den Himmel. Irgendwo in der Nähe des Bugs der Bremen läuteten Glocken.
    »Sie wussten, dass sie Gift genommen hat!«, fuhr Kraus den Mann wütend an.
    Heilbutt senkte den Kopf.
    »Drei Tage, bevor ich sie gefunden habe!«, fuhr Kraus grimmig fort. »Kein Wort der Erklärung. Aber jetzt, jetzt werden Sie mir sagen, warum sie das getan hat.«
    Der ältere Mann kniff die Augen zusammen, als wollte er sich unsichtbar machen ... was nicht möglich war. Kraus würde dafür sorgen, dass er das begriff. Jetzt konnte er sich nicht mehr aus dem Staub machen.
    »Zeigen Sie mir Ihren Reisepass.«
    Heilbutt riss die Augen auf. »Aber ich ...«
    »Den Reisepass! Sofort!«, fuhr Kraus ihn barsch an.
    Heilbutts Blick zuckte, als würde er überlegen, ob es sich vielleicht nicht doch lohnte, über Bord zu springen. Also zerrte Kraus ihn von der Reling weg, schob seine eigene Hand in die Manteltasche des anderen Mannes und zog den Reisepass heraus.
    Er war gefälscht.
    »Joachim Baumeister. Wie interessant. Ich würde sagen, Sie befinden sich in einer ziemlich prekären Lage.« Ein Stück von ihnen entfernt warfen Leute Papierschlangen über die Seite des Schiffs. »Sie fliehen unter einer falschen Identität aus dem Land ... und entziehen sich dem Verhör durch einen Beamten der Kriminalpolizei. Sie dürften für ..., sehen wir der Wahrheit ins Auge, angesichts Ihres Alters, für den Rest Ihres Lebens einsitzen.«
    Heilbutt wurde kreidebleich. »Können wir hineingehen?« Er flüsterte nur noch. »Mir ist ziemlich kalt.«
    Hoch über ihnen gellte der ohrenbetäubende Lärm des dampfbetriebenen Signalhorns durch die Nacht.
    Kraus schob seine Nase fast in Heilbutts Gesicht. »Der einzige Ort, an den Sie gehen, ist zurück nach Berlin, und zwar direkt in die Verliese unterm Alex, wenn Sie mir nicht endlich sagen, was ich wissen will. Und zwar auf der Stelle!«
    Heilbutt starrte in den Himmel und sah dann Kraus wieder an. »Wenn ich es Ihnen sage, lassen Sie mich dann gehen?«
    Wieder schrillte die Dampfpfeife, und plötzlich regnete Konfetti auf sie herunter.
    Kraus hatte keine Zeit zu verlieren. Er musste die Wahrheit erfahren, und zwar schnell. Und er wollte sich nicht damit aufhalten, den Mann vom Schiff nach Berlin zu zerren, es sei denn, es war unbedingt notwendig.
    »Im Prinzip habe ich nichts dagegen, dass Sie New York besuchen. Es sei denn ...«
    »Es sei denn, Sie brauchen meine Aussage vor Gericht?« Ein Hoffnungsschimmer erhellte Heilbutts mürrische Miene. »Hören Sie, Kraus, sollte es jemals so weit kommen, glauben Sie mir, dann werde ich ...«
    »Jetzt rücken Sie endlich mit der Wahrheit heraus. Und lassen Sie ja nichts aus.«
    Heilbutt wischte sich den Schweiß von der Stirn und senkte den Blick. »Sie hätte das nicht tun müssen.« Seine faltigen Wangen zitterten. »Sie hätte einfach verschwinden können, so wie ich. Oder sie hätte den Mund halten sollen.« Er schluckte, als würden diese Worte in seinem Mund brennen. »Gott weiß, dass sie das schließlich all die Jahre auch geschafft hat, seit ...«
    »Kommen Sie zum Punkt, Heilbutt. Fangen Sie mit dieser Hundegeschichte an.«
    Der mürrische alte Mann nickte gehorsam. »Sie erinnern sich sicher daran, wie es während der Inflation gewesen ist. Die Leute haben ihre ganzen Ersparnisse in einem Handkarren zum Schlachter gefahren. Und jeder hat versucht, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten.«
    Als wenn Kraus das hätte vergessen können. Innerhalb einer Woche war der Preis für einen Laib Brot von fünf Mark auf fünf Millionen gestiegen. Eine Woche später kostete er bereits zehn Millionen. Und einen Monat danach eine halbe Milliarde. Man druckte Banknoten mit immer höheren Beträgen, zehn Millionen Mark, hundert Millionen, aber das Geld war nicht einmal das Papier wert, auf dem es

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