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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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seine Gedanken erraten, warf sie den Kopf in den Nacken und schlang ihre Arme um seine Taille.
    „Martin …“
    „Ja?“
    „Hilfst du mir?“
    Er sah sie fragend an.
    „Hilfst du mir, den Affen loszuwerden?“
    Er nickte.
    „Ja. Ich helfe dir“, sagte er.
    Bokha war es gelungen. Warum nicht auch ihm? Sie brauchte Liebe. Der einzige echte Drogenersatz … Er erinnerte sich an ihre Worte von vor ein paar Stunden hatte:
    „Du warst immer da. Du hast mich nie verlassen.“
    „Versprichst du es mir?“
    „Ja. Ja, ich verspreche es dir.“
     
    Die République de Marsac hatte noch lange nicht all ihre Archive digitalisiert. Nur die beiden letzten Jahre waren auf CD gespeichert. Der ganze Rest wurde in Mikrofiche-Boxen aufbewahrt, die in einem Holzschrank am Ende des Gangs übereinandergestapelt waren.
    „Oh nein!“, entfuhr es Espérandieu, als er den Berg sah.
    „2004 ist da“, sagte Servaz und deutete auf drei übereinandergestapelte Plastikboxen. „So viel ist das gar nicht. Wo finden wir ein Lesegerät?“, fragte er die Sekretärin.
    Die Sekretärin führte sie in einen fensterlosen Raum im hintersten Winkel des Kellergeschosses. Eine anämische Neonröhre flackerte auf, und da stand das Mikrofiche-Lesegerät: ein großer, sperriger Apparat, der, nach der Staubschicht zu urteilen, nicht gerade täglich benutzt wurde. Servaz krempelte sich die Ärmel hoch und trat an das Monster heran. Er wusste mehr oder weniger, wie man das Gerät bediente, doch als Espérandieu die Anzeige scharfstellen wollte und an der Linse drehte, löste sich diese und fiel auf die Mikrofiche-Bühne.
    Sie brauchten eine gute Viertelstunde, um die Linse wieder anzubringen. Zum Glück war sie unversehrt.
    Anschließend öffneten sie die Mikrofiche-Boxen und suchten den Mikrofilm, auf dem die Ausgabe vom 18. Juni 2004 gespeichert war, dem Tag nach dem Unfall. Bingo. Titel und Artikel ließen an Klarheit nichts zu wünschen übrig:
     
    Tödlicher Busunfall in den Pyrenäen
    Letzte Nacht gegen 23.15 Uhr sind bei einem Busunfall siebzehn Kinder und zwei Erwachsene ums Leben gekommen. Nach ersten Informationen soll das Fahrzeug in einer Kurve von der Fahrbahn abgekommen, auf die Seite gekippt und mehrere Minuten lang auf dem Hang zwischen der Straße und dem See eingeklemmt gewesen sein, ehe es weiter abrutschte und unter den ohnmächtigen Augen der Rettungskräfte in den See stürzte. Zehn Kinder sowie drei Erwachsene konnten von den Rettungskräften, die sehr schnell vor Ort waren, wohlbehalten aus dem Bus geborgen werden. Die Unfallursache ist noch nicht bekannt. Die Opfer waren alle Schüler einer Mittelschule aus Marsac. Sie waren auf einer Abschlussfahrt ins Gebirge.
     
    Sie sahen die folgenden Seiten durch. Weitere Artikel, Schwarzweißfotos von der Katastrophe. Man sah die längliche Silhouette des umgekippten Busses mitten am Hang, ehe er in den See stürzte. Im hellen Gegenlicht der Scheinwerfer zeichneten sich dunkle Gestalten ab. Feuerwehrmänner eilten schreiend und gestikulierend vor dem Objektiv vorbei. Dann noch ein Foto … der See … von einer strahlenden Lichtquelle aus der Tiefe erleuchtet … Servaz traute seinen Augen nicht. Er sah zu Espérandieu. Sein Mitarbeiter wirkte wie versteinert.
    Servaz zog den Mikrofilm aus dem Lesegerät und fischte einige andere aus der Box. Die Artikel von den folgenden Tagen lieferten weitere aufschlussreiche Einzelheiten:
    Die Beisetzung der siebzehn Kinder und zwei Erwachsenen, die bei dem tragischen Busunfall vorgestern am Stausee von Néouvielle ums Leben kamen, findet morgen statt. Die siebzehn Kinder im Alter zwischen 11 und 13 Jahren besuchten alle dieselbe Mittelschule in Marsac. Von den beiden erwachsenen Todesopfern gehörte eines zu den Einsatzkräften, die versuchten, die eingeschlossenen Kinder zu retten; das zweite war ein ein Lehrer, der die Kinder auf der Klassenfahrt begleitete. Zehn weitere Kinder konnten dank des Einsatzes der Feuerwehr und dieses Lehrers gerettet werden. Unter den Erwachsenen, die sich zum Zeitpunkt des Unfalls im Bus befanden und gerettet werden konnten, sind auch der Busfahrer und zwei Begleiter: eine Aufsichtsperson und ein anderer Lehrer. Überhöhte Geschwindigkeit wurde von den Ermittlern als Unfallursache von vornherein ausgeschlossen; die Blutprobe, die dem Fahrer entnommen wurde, ergab, dass er nicht alkoholisiert war.
     
    Die folgenden Artikel beschrieben die Beisetzung, schilderten den Schmerz der Eltern, appellierten auf jede

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