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Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Kindertotenlied: Thriller (German Edition)

Titel: Kindertotenlied: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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beiden fertiggebracht hat. Er hat mich gerettet …“
    „Wie hätte ich dich vor etwas retten sollen, von dessen Existenz ich nichts wusste?“, fragte er.
    Sie ignorierte seine Bemerkung. Sie wandte den Kopf dem See zu, und er bewunderte ihr Profil.
    „Bist du schon lange …“
    „Rückfällig geworden? Nach Mathieus Tod … Diese Stadt hat fast genauso viele Studenten wie Einwohner. Es war nicht schwer, einen Lieferanten aufzutun.“
    „Kennst du ‚Heisenberg‘?“
    Sie nickte.
    „Margot hat mir etwas erzählt“, fuhr er fort, weil er es nicht mehr ertrug, über ihre Rauschgiftsucht zu sprechen. „Eine Begebenheit, die sie gestern Nacht im Gebirge miterlebt hat. Der Stausee von Néouvielle, sagt dir das etwas?“
    Er sah, wie sich Mariannes Blick veränderte. Er erzählte ihr, was ihm seine Tochter berichtet hatte.
    Mit jedem Wort schienen ihre Perplexität und ihr Erstaunen zuzunehmen.
    „Gestern war der 17. Juni“, antwortete sie, als er fertig war. „17. Juni 2004“, fügte sie hinzu.
    Er wartete, was nun folgen würde.
    „Ein Busunfall … Das hat in der Region ziemliche Schlagzeilen gemacht. Du müsstest dich eigentlich erinnern.“
    Ja, er erinnerte sich vage. Eine Information, die in der Flut der anderen Informationen unterging. Katastrophen, Massaker, Kriege, Unfälle, Gemetzel … Ein Busunfall. Weder der erste noch der letzte. Dieser hatte sehr viele Opfer gefordert, darunter auch Kinder.
    „Siebzehn tote Kinder. Und zwei Erwachsene: ein Lehrer und ein Feuerwehrmann“, sagte sie. „Der Fahrer hat die Kontrolle über den Bus verloren, der ist von der Fahrbahn abgekommen und in den See gestürzt. Aber vorher hat er zwei Stunden lang mitten am Hang über dem Abgrund geschwebt, und mehrere Kinder konnten gerettet werden.“
    Er sah sie an.
    „Wieso erinnerst du dich so genau daran?“
    „In diesem Bus saß Hugo.“
     
    „Kennst du David, Sarah und Virginie?“, fragte er. Sie nickte.
    „Das sind Hugos beste Freunde. Sie sind wie er in der Khâgne. Hochintelligente junge Leute. Auch sie waren damals in dem Bus.“
    Servaz starrte sie an.
    „Du willst sagen, sie haben wie Hugo den Unfall überlebt?“
    „Ja. Sie hatten alle ein Trauma, wie du dir vielleicht denken kannst. Ich erinnere mich noch, wie wir unsere Kinder abgeholt haben. Es war schrecklich. Sie hatten den Tod ihrer Kameraden miterlebt. Kinder zwischen elf und dreizehn Jahren …“
    „Wurden sie deswegen behandelt?“
    „Sie wurden auch psychologisch betreut. Mehrere von ihnen waren schwer verletzt. Bei einigen sind dauerhafte Behinderungen zurückgeblieben.“ Sie stockte und dachte in Ruhe nach. „Sie standen sich schon vorher nahe. Aber mir schien, dieser Unfall hat sie noch enger zusammengeschweißt. Heute sind sie ein Herz und eine Seele …“
    Sie zögerte.
    „Wenn du mehr darüber wissen willst, lies in der Lokalzeitung nach, La République de Marsac . Die haben mit dieser Geschichte einen guten Schnitt gemacht: Alle Kinder gingen hier dieselbe Mittelschule.“
     
    Er starrte sie an. Er fühlte sich niedergeschlagen und leer. Sie begegnete seinem Blick.
    „Ich hatte dich gewarnt, Martin: Mit allen Personen, die ich liebgewinne, nimmt es ein schlimmes Ende.“
    Er wagte es nicht, ihr die Frage zu stellen, die ihm von Anfang an, seit er das Haus betreten hatte, unter den Nägeln brannte. Die Frage, vor deren Antwort er sich so sehr fürchtete. Aber er musste es einfach wissen.
    „Was hat Francis neulich nachts hier gemacht?“
    Sie blinzelte irritiert.
    „Spionierst du mir nach?“
    „Nein, ich habe ihn observiert – weil ich ihn verdächtigt habe.“
    „Seine Freundin, eine Schülerin, diese Sarah, von der du gesprochen hast, hat gerade mit ihm Schluss gemacht. Es ist nicht das erste Mal, dass … dass er mit einer seiner Schülerinnen schläft. Und auch nicht, dass er sich an meiner Schulter ausheult. Seltsam, nicht: Wenn Francis sich jemandem anvertrauen muss, dann kommt er zu mir. Er ist sehr einsam. Wie du, Martin … Glaubst du, dass ich schuld daran bin?“, fragte sie plötzlich. Sie machte eine seltsame Geste. „Ich habe mich oft gefragt: Was tue ich euch an? Was tue ich den Männern in meinem Leben an, Martin, was andere Frauen nicht tun? Warum muss ich sie auf diese Weise brechen?“
    Sie schluchzte, aber er sah keine Träne in ihren Augen.
    „Du hast Bokha nicht gebrochen“, sagte er.
    Sie sah ihn an.
    „Er war glücklich mit dir, du hast es mir selbst gesagt.“
    Sie nickte mit

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