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Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Titel: Kindspech: Tannenbergs achter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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frische Luft, dabei schreckten ihn die brütend heißen Außentemperaturen nicht ab. Er war wie von Sinnen, lief einfach los, ohne Ziel, getrieben von einer inneren Unruhe, die ihn fast an den Rand eines psychischen Zusammenbruchs führte. Nur die sturmschrittartige Wanderung über den Kotten, den Burggraben, hinauf zum Kaiserberg verhinderten einen Kollaps.
    Als er auf der Höhe des Langen Steins zum ersten Mal eine kleine Verschnaufpause einlegte, triefte er zwar vor Nässe, aber er fühlte sich zumindest ein bisschen besser. Nach nur kurzer Rast marschierte er die Morlautererstraße hinunter zum Freibad Waschmühle, bog aber vorher in die Galappmühlerstraße ab. In der nahe gelegenen Gaststätte kaufte er eine Flasche Mineralwasser, die er gleich an Ort und Stelle unter den staunenden Blicken des Wirts und der zahlreichen Biergartenbesucher leerte. Aus Rücksicht auf diese fröhlichen Menschen, die in ausgelassener Stimmung den Sonntagnachmittag genossen, entließ er die aufgestaute Kohlensäure erst außerhalb des Gebäudes ins Freie. Das Geräusch erinnerte ein wenig an einen röhrenden Hirsch.
    Nach einem weiteren Gewaltmarsch über die Lauterstraße und am ehemaligen Schlachthof vorbei kehrte er in seine Dienststelle am Pfaffplatz zurück. Obwohl er sein Handy die ganze Zeit über mit sich geführt hatte, fragte er in der Eingangsloge den diensthabenden Beamten, ob in der Zwischenzeit irgendeine Nachricht für ihn eingetroffen sei. Der Uniformierte schüttelte den Kopf. Dann stimmte er ein Jammerlied über die unerträgliche Raumtemperatur und seinen angeblichen Stress an. Tannenberg ließ ihn einfach stehen.
    Im Treppenhaus schimpfte er in Gedanken: Was laberst du denn von Stress und Extrembelastung? Du hast doch überhaupt keine Ahnung, was eine Extrembelastung ist!
    In seinem Büro angelangt, griff er sogleich zu seinem Telefon, rief bei den Krehbiels an und ließ sich seinen Kollegen von der Kriminaltechnik geben. Mertel konnte ihm jedoch nichts Neues berichten, denn der Erpresser hatte sich noch immer nicht bei der Unternehmerfamilie gemeldet.
    Dieser Drecksack spielt auf Zeit, polterte es in Tannenbergs Kopf. Lässt uns alle schön lange schmoren. Das ist garantiert Teil seiner perversen Strategie. Dadurch versucht er, den Druck auf seine Erpressungsopfer zu erhöhen. Elender Hundsfott, elender!
    Von nervenzerfetzender Anspannung geplagt, setzte er sich an seinen Schreibtisch und beschäftigte sich noch einmal intensiv mit den vor ihm liegenden Ermittlungsakten. Mit flackerndem Blick sondierte er die Entführungsfälle mit Erpressungshintergrund, fand allerdings noch nicht einmal die Spur eines Hinweises, der ihn irgendwie weiterbringen könnte. Die beiden Fälle blieben ganz und gar mysteriös.
    Abermals rief er die BKA-Datenbank auf und stöberte ein wenig darin herum. In der Rubrik ›Vermisste Kinder‹ stieß er auf einen Begriff, der ihm ein glühendes Messer in den Magen rammte: Kindesmissbrauch. An diese Möglichkeit hatte er bislang noch nicht einen einzigen Gedanken verschwendet. Er hatte sich bisher lediglich mit der Erpresservariante beschäftigt und jede andere Möglichkeit von vornherein ausgeschlossen. Umso brutaler traf ihn nun diese schockierende Erkenntnis.
    Entsetzt schlug er die Hand vor den Mund, während sich sein Gesicht in eine schreckverzerrte Maske verwandelte. Er hatte das Gefühl, als ob sich der Fußboden unter seinem Schreibtischstuhl öffnete und er in ein tiefes Loch hinuntergezogen würde. Plötzlich wurde es schwarz vor seinen Augen, kalter Schweiß trat ihm auf die Stirn.
    Oh Gott, wenn Emma von so einer perversen Sau entführt wurde.
    Gemartert von diesen unerträglichen Gedanken, sank er auf seinem Stuhl zusammen. Er zitterte am ganzen Körper, die Mundpartie zuckte wild. Er wurde von einem Weinkrampf überfallen, der ihn regelrecht durchschüttelte. Es dauerte eine ganze Weile, bis er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte.
    Wenn es diese Drecksau gar nicht auf die Tochter der Krehbiels abgesehen hatte, sondern nur auf irgendein kleines Mädchen? Was für eine Horrorvorstellung!
    Er drückte sich über die Ellenbogen nach oben und schleppte sich zum Waschbecken. Wie nach einem Alkoholexzess stand er hechelnd vor dem Spiegel und blickte in sein graues, verwelktes Gesicht.
    Daran hab ich Idiot überhaupt nicht gedacht! Ich bin ein totaler Versager!
    Wie schon des Öfteren in seinem Leben, wenn er sich in einer schier aussichtslosen Situation befand, reagierte

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