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Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Titel: Kindspech: Tannenbergs achter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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lediglich seine dichten, lockigen Kopfhaare und der kräftige Bartwuchs. Denn auf beides war er ausgesprochen stolz. In langwierigen und kostspieligen Prozeduren hatte er sich seine sonstigen Körperhaare mit Laserstrahlen entfernen lassen. Doch ab und an spielte die Natur ihm einen Streich und ließ an den unterschiedlichsten Stellen neue Haare sprießen. Diesen widerborstigen Gesellen rückte er mit einem Laser-Haarentferner zu Leibe, den er erst vor Kurzem im Internet ersteigert hatte.
    Nach der Enthaarungsmaßnahme cremte er seinen gesamten Körper mit einer nach Pfingstrose und Sandelholz duftenden, Feuchtigkeit spendenden Bodylotion ein. Lediglich das Gesicht sparte er aus.
    Er blickte in den Spiegel, fasste sich mit der Hand ans Kinn und knetete es prüfend. Dann zog er ein Rasiermesser aus der Schublade, klappte es auseinander und ging zu dem an einem Ringhaken befestigten Streichriemen. Mit mehreren eingeübten Handbewegungen ließ er die glänzende Messerklinge über den stramm gezogenen Lederstreifen gleiten und prüfte anschließend mithilfe eines ausgezupften Kopfhaares dessen Schärfe. Das frisch abgezogene, extrem scharfe Messer zerteilte erwartungsgemäß das von ihm nur an der Haarwurzel festgehaltene, senkrecht herabhängende Haar genau in der Mitte.
    Schmunzelnd legte er das blitzende Stahlmesser auf die geflieste Ablage unterhalb des Spiegels. Anschließend bearbeitete er ein Stück Rasierseife mithilfe eines in warmes Wasser getauchten Naturhaarpinsels. Und zwar so lange, bis der wie ein Sahneberg aufquellende Schaum genau die richtige Konsistenz hatte. Nun verteilte er die sahneartige Masse, die einen herb-würzigen Geruch verbreitete, gleichmäßig über seine schwarzen Bartstoppeln. Aus lauter Übermut drückte er sich einen kleinen Schaumklacks auf die Nasenspitze. Er nahm das frisch geschärfte Rasiermesser, setzte die aufblitzende Schneidekante direkt an die Schläfe neben seinem linken Ohr und zog die Klinge mit kurzen, routinierten Schabbewegungen die großzügig eingeseifte Wange hinunter.
    Irgendwann einmal war er dieser zeitraubenden Prozedur überdrüssig geworden und hatte sich an der Trockenrasur versucht. Obwohl er durch den Einsatz der kleinen elektrischen Maschine bedeutend weniger Zeit für die Rasur benötigte, stellte er das Experiment nach wenigen Tagen wieder ein: Seine empfindliche Haut hatte mit einer Unzahl kleiner Eiterpusteln gegen die unerwünschte Veränderung rebelliert.
    Darüber hinaus hatte ihm in dieser Zeit etwas Entscheidendes gefehlt: Der Zwang, sich hundertprozentig konzentrieren und disziplinieren zu müssen. Die Elektrorasur ging derart gefahrlos über die Bühne, dass er an diesen wenigen Testtagen dabei fast einschlief, so langweilig empfand er das Prozedere. Bei der klassischen Nassrasur mit einem extrem scharfen Rasiermesser war dies dagegen völlig anders, denn bereits eine kleine Unkonzentriertheit zog gravierende, deutlich sichtbare Konsequenzen nach sich.
    Er tupfte sich den restlichen Rasierschaum aus dem Gesicht und rieb die gereizte Haut mit einem weißlichen, herb duftenden Aftershave-Balsam ein. Die angenehme Kühle belebte ihn. Mit einem Mal verspürte er ein nagendes Hungergefühl. Er schlüpfte in seinen Bademantel. Er genoss dieses elektrisierende Kribbeln, das der Frotteestoff auf seiner nackten Haut erzeugte. Auf dem Weg zur Küche unternahm er einen kurzen Abstecher in sein Arbeitszimmer und warf einen Blick auf das von der Beobachtungskamera übertragene Livebild: Es zeigte ein Gitterbettchen, in dem ein kleines blondes Mädchen in Embryonalstellung kauerte. Offensichtlich schlief es.
    Wunderbar, es klappt alles wie am Schnürchen, dachte er. Er klatschte in die Hände und knetete sie grinsend. Die werden sich alle garantiert vor Angst um ihre kleine Süße in die Hosen machen. Und das ist auch gut so. Die Zeit spielt eindeutig für mich.
    Er schlenderte in die Küche und bereitete sein Abendessen vor. Dabei legte er stets besondere Sorgfalt auf die genaue zeitliche Abfolge der einzelnen Schritte, ebenso auf die exakte Anordnung der benötigten Utensilien. Er aß immer das Gleiche: zwei mit streichzarter Butter grundierte Roggenbrotscheiben, belegt mit Emmentaler Käse, garniert mit Tomatenscheiben und mehreren Cornichons. Dazu trank er stets zwei Gläser Riesling, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
    Aus der Richtung seines Arbeitszimmers krächzte urplötzlich das Babyfon. Er hatte es so leise eingestellt, dass niemand außerhalb des

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