Kindspech: Tannenbergs achter Fall
mal keine Sorgen, wir kriegen das auch allein hin. Irgendwann wird dieser Mistkerl weich werden und uns Emmas Versteck verraten. Das verspreche ich dir. Und wenn wir ihm Daumenschrauben anlegen müssen.«
Sie zückte ihr Handy und telefonierte mit der Zentrale.
Hanne umarmte ihren Freund. »Komm, Wolf, jetzt lass doch den Kopf nicht hängen.«
Ein tieftrauriger Blick arbeitete sich an ihrem hellbraunen Poloshirt nach oben.
Sie hauchte ihm einen zärtlichen Kuss auf die leichenblassen Lippen. »Jetzt habt ihr doch endlich eine ganz heiße Spur. Es ist bestimmt nur noch eine Frage der Zeit, bis ihr Emma befreien könnt.«
Doch diese gut gemeinten Worte vermochten Tannenberg nicht zu trösten. Er stülpte die Unterlippe vor und schüttelte deprimiert den Kopf. »Ich weiß nicht, ob die das auch wirklich hinkriegen.«
»Wolf, da bin ich mir ziemlich sicher: Und wenn sie merken, dass sie es nicht schaffen, rufen sie dich zu Hilfe – Beurlaubung hin oder her.«
»Glaubst du?«
»Ja, ganz bestimmt. Jeder von ihnen will doch nur das Beste für Emma.«
11 Uhr
Im Laufe der Fahrt durch die brütend heiße Innenstadt hellte sich Tannenbergs depressive Stimmung zusehends auf. Als Hanne und er vor seinem Elternhaus in der Beethovenstraße eintrafen, konnte er es kaum mehr erwarten, seiner Familie endlich einmal eine gute Nachricht zu überbringen.
»Es gibt sehr interessante Neuigkeiten: Eine überraschende Wendung ist eingetreten«, posaunte er in einer derartigen Heiterkeit heraus, dass sogleich hoffnungsvolle Spekulationen ins Kraut schossen.
»Habt ihr Emma gefunden?«, rief Marieke.
»Wie geht’s ihr«, fragte Max.
»Wo ist sie jetzt?«, wollte Margot wissen.
Angesichts dieser wild durcheinandergeworfenen Fragen fuhr Tannenberg der Schrecken in alle Glieder. Denn mit einem Mal wurde ihm schmerzlich bewusst, dass er viel zu voreilig Hoffnungen geweckt hatte.
Als er nun eingestehen musste, dass er lediglich die Festnahme des Stalkers vermelden konnte, zeigte sich die Familie ausgesprochen enttäuscht. Aber auch Empörung mischte sich darunter. Besonders Marieke reagierte sehr emotional. Wild gestikulierend beschimpfte sie ihn, mit ihren Gefühlen zu spielen.
Dieser Vorwurf traf Tannenberg direkt ins Mark.
»Das war wirklich nicht meine Absicht«, erwiderte er mit belegter Stimme. »Das würde ich doch nie tun. Das musst du mir glauben.« Ein flehender Blick bettelte um eine verzeihende Reaktion. Doch Marieke hatte ihm den Rücken zugekehrt und klammerte sich wimmernd an ihren Vater. »Ich wollte euch doch nur Hoffnung machen. Fritsche ist der Hauptverdächtige. Er weiß hundertprozentig, wo Emma ist«, versuchte er seinen Optimismus zu rechtfertigen.
Aufgrund seiner unrühmlichen Vergangenheit war Alexander Fritsche den Anwesenden bestens bekannt. Entsprechend groß war der Hass auf diesen Psychopathen, der Tannenberg fast erschlagen und Hanne mit Psychoterror gequält hatte. Für alle Familienmitglieder stand völlig außer Zweifel, dass dieser geisteskranke Mensch zu allem fähig war, auch zur Entführung eines kleinen Mädchens – nur um Hanne und ihren neuen Freund damit zu tyrannisieren.
Max sprang so abrupt von seinem Stuhl hoch, dass dieser nach hinten umkippte. »Lass mich sofort zu ihm. Ich prügele es aus ihm heraus!«
Jacob erhob sich ebenfalls. »Ich komm mit.«
»Quatsch! Meint ihr denn, die würden euch zu ihm lassen?«
»Aber, wenn du uns …«
»Nein, Vater, das ist völlig unmöglich«, wehrte Tannenberg ab. Seine Quasi-Suspendierung behielt er lieber für sich. Diese Dienstanweisung hätte die Sorgen der Familie sicherlich nur gesteigert.
»Und wenn Emma doch schon tot ist«, schniefte ihre junge Mutter mit tränenerstickter Stimme.
»Nein, nein, um Gottes willen, Marieke, so etwas Schreckliches darfst du noch nicht einmal denken.«
»Wieso?«, schrie sie ihm ins Gesicht. »Du weißt doch am besten, wozu dieses Schwein fähig ist.«
»Aber, Marieke, warum sollte der Kerl denn so etwas tun? Das ist doch völlig unsinnig. Außerdem haben wir ihn dabei beobachtet, wie er in aller Seelenruhe am Friedhof auf einer Bank saß und sich an den Trauergästen ergötzt hat, die offensichtlich zu meiner Beerdigung wollten. Das tut doch keiner, der zuvor ein kleines Mädchen getötet hat. Nein, Emma lebt. Da bin ich mir hundertprozentig sicher«, versuchte Tannenberg die Sorgen seiner Nichte zu zerstreuen.
Marieke brauchte nichts zu antworten, ihre verzweifelte Mimik sprach
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