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Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Titel: Kindspech: Tannenbergs achter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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blickte nicht wie gewöhnlich in einen mit goldenen Sternen bedruckten Betthimmel, sondern auf einen mit einem Bügelschloss gesicherten Gitterrost.
    Schlagartig wurde ihr klar, dass sie nicht in ihrem Kinderzimmer war, sondern irgendwo anders. Und zwar irgendwo, wo sie nicht sein wollte. Wo man sie in einen Käfig eingesperrt hatte. Wo es keine Kuscheltiere, kein Spielzeug, keine bunten Bilder und keine fröhlichen Menschen gab, sondern nur kahle, graue Wände – und einen Mann, einen großen Mann mit einer riesigen Hand, mit der er nach ihr gegrapscht hatte. Und weiter grapschen würde, wenn er wiederkam. Die Erinnerung an seinen scharfen Geruch stieg ihr in die Nase. Angewidert warf sie sich auf die Matratze und zog die Decke über den Kopf.
    Doch es nutzte nichts. Sie war wach – und sie erinnerte sich. Und mit diesen Erinnerungen kehrten auch die Schmerzen zurück. Wimmernd kroch sie unter der Schlafdecke hervor. Sie setzte sich auf, hob die rechte Hand, nestelte an dem Pflaster herum und riss es ab. Als sie die nässende Wunde sah, heulte sie laut auf und warf sich jammernd auf die Matratze.
     
    wo bin ich?
    wo ist Mama?
    ich hab Angst
     
    Nach einer Weile beruhigte sie sich wieder ein wenig.
    Plötzlich verspürte sie großen Durst. Sie schaute sich in ihrem Gitterkäfig nach etwas Trinkbarem um. In einer Ecke entdeckte sie die Kabaflasche, die sie gestern Morgen nicht angerührt hatte. Deshalb hatte ihr der Mann irgendwann eine andere Flasche gebracht, eine mit Kindersaft. Die hatte sie bis auf den letzten Tropfen geleert.
    Aber nun war nichts anderes da. Sie wollte nicht, dass der Mann wieder zu ihr kam. Also nahm sie die Kabaflasche und schob den Latexsauger in den Mund. Bereits eine halbe Stunde später begann es, in ihrem kleinen Bäuchlein zu rumoren. Die Darmgeräusche wurden lauter. Die anfänglich nur leicht ziehenden Schmerzen wurden schneidender und steigerten sich zu kolikartigen Krämpfen. Sie bekam Durchfall. Danach ließen die Bauchschmerzen ein paar Minuten nach. Doch schon bald kamen sie wieder, wurden noch heftiger. Der Durchfall wurde schlimmer, die übelriechende Brühe lief die Beinchen hinunter. Emma wurde immer verzweifelter. Sie atmete schneller, keuchte stoßartig, bekam fast keine Luft mehr. Sie musste sich erbrechen.
    Ihre Panik war größer als die Angst vor dem Mann.
    Sie schrie so laut sie nur konnte, um ihn auf sich aufmerksam zu machen.
    Sie schrie und schrie.
    Aber der Mann kam nicht, er kam einfach nicht.
     
     
    10 Uhr 25
     
    »Nein, Wolf, tu’s nicht!«, schrie Johanna, während sie wie eine Springfeder in die Höhe schnellte. Sie stand nun genau in der Schusslinie. »Wolf, du darfst jetzt nicht durchdrehen. Wenn du ihn erschießt, tust du damit niemandem einen Gefallen.«
    Tannenberg schien diese Worte nicht zu hören. Sein starr auf Fritsche gerichteter Blick durchbohrte Hanne. Der zitternde Zeigefinger lag weiterhin am Abzug. Sein schweißnasser Körper war völlig verkrampft und vibrierte.
    Ganz behutsam schob Johanna eine Hand auf den Lauf der Pistole und drückte ihn sanft nach unten. Mit ruhiger Stimme sagte sie: »Vor allem hilfst du damit Emma nicht. Wie sollen wir sie denn finden, wenn er tot ist? Er ist doch der Einzige, der uns zu ihr führen kann.«
    Als der Kriminalbeamte noch immer nicht reagierte, fuhr sie in eindringlichem Ton fort: »Wolf, e r ist der einzige Weg zu Em-ma !«
    Der in Silben zerlegte Name seiner Großnichte drang nun endlich in Tannenbergs Hirn vor. Er hob ein wenig den Kopf, schaute nun Hanne direkt in die Augen. Er nagte an seinen Lippen, während er tief seufzte. Sein Blick wanderte hinunter zu dem in Karomuster gefliesten Küchenboden.
    Auf Zehenspitzen trat Sabrina neben ihren Chef, wartete jedoch, bis er die Waffe noch weiter abgesenkt hatte. Dann fasste sie die Pistole vorsichtig von unten. »Komm, Wolf, gib sie mir«, flüsterte sie.
    Wolfram Tannenberg befand sich noch immer in einer Art Trancezustand. Doch Sabrinas Berührung löste die Verkrampfung seiner Hand. Die Waffe glitt nach unten. Die Kommissarin entlud sie und reichte sie ihm zurück. Wortlos steckte er sie ins Schulterhalfter und trottete, von Fritsches wüsten Beschimpfungen und Drohungen begleitet, hinaus in den Flur.
    »Wolf, ich verständige unsere Kollegen. Sie sollen Fritsche abholen und ins K 1 bringen. Dort nehmen wir ihn anständig in die Mangel.«
    Tannenberg nickte.
    » Du nicht, Wolf«, versetzte daraufhin Sabrina. »Du bist beurlaubt. Aber mach dir

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