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Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Titel: Kindspech: Tannenbergs achter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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dich mit meinen bloßen Händen. Ich breche dir jeden Knochen einzeln, das verspreche ich dir. Es ist mir völlig egal, ob ich dafür jahrelang eingebuchtet werde. Das bin ich Emma schuldig.
    Aggressiv bis in die Haarspitzen kickte er eine Dose vor sich her. Das scheppernde Geräusch scheuchte eine Schar Tauben auf, die sich gerade über eine weggeworfene Brezel hergemacht hatte.
    Aufgrund der milden Sommernacht herrschte auf dem neu gestalteten Bahnhofsvorplatz ein reges Treiben: Jugendliche bretterten mit ihren Skateboards über den Asphalt oder standen in Gruppen beisammen und hörten Musik. Taxis fuhren vor, schwer bepackte Reisende strömten in den Bahnhof, andere wiederum wurden von Bekannten oder Familienangehörigen freudig in Empfang genommen.
    Wolfram Tannenberg nahm all diese Begebenheiten nur als peripheres Rauschen wahr. Jede Muskelfaser, jede Gehirnzelle seines Körpers war auf die anstehende Aufgabe konzentriert. Er durfte nicht den kleinsten Fehler machen. Wie ferngesteuert eilte er durch die Menschenmassen hindurch zum angegebenen Bahnsteig. Mit flackerndem Blick suchte er die Bahnhofsuhr. Sie zeigte fünf Minuten vor 22 Uhr. Ruhelos stampfte er auf dem Bahnsteig hin und her, gemartert von der panischen Angst, dass trotz seiner Vorsichtsmaßnahmen doch irgendjemand Wind von der geplanten Geldübergabe bekommen hatte und seine Kollegen oder irgendwelche Journalisten noch in letzter Sekunde hier auftauchten.
    Der Regionalexpress lief pünktlich ein. Tannenberg hastete ins vorderste Abteil und suchte sich einen freien Platz. Er hatte geplant, sich gleich nach der Abfahrt in der Zugtoilette einzuschließen und dort den Anruf des Entführers abzuwarten. Nur dort konnte er ungesehen den Geldrucksack aus dem Fenster werfen.
    Der Regionalexpress setzte sich dynamisch in Bewegung. Tannenberg eilte in die Toilette und verriegelte die Tür. Er ließ sich auf der Klobrille nieder und zog sein Handy aus der Tasche. Der Zug donnerte über mehrere Weichen hinweg. Der erste ruckartige Stoß schleuderte Tannenbergs Schulter an die Kabinenwand. Sein Handy fiel auf den Boden und zerlegte sich in drei Teile. Hektisch schob er den Akku wieder ein und drückte die Unterschale in ihr Gegenstück.
    Oh Gott, wenn es mir eben ins Klo gefallen wäre, dann wäre schon jetzt alles aus, pochte es unter seiner Schädeldecke. Reflexartig drückte er die Oberschenkel fest aneinander und steckte das Handy in die Innentasche seiner dünnen Sommerjacke.
    In Landstuhl hielt der Regionalexpress zum ersten Mal. Gleich, nachdem der Zug mit einem schrillen Quietschton zum Stillstand gekommen war, zog Tannenberg sein Mobiltelefon abermals hervor, um es sicherheitshalber noch einmal zu kontrollieren. Doch alles war genau so, wie er es zu Hause eingestellt und mehrfach überprüft hatte: Vibrationsalarm: an, Akku: volle Kapazität, Rufton: größte Lautstärke.
    Jemand klopfte an die Tür. »Wann sind Sie denn endlich fertig? Ich muss dringend aufs Klo«, sagte eine Fistelstimme.
    »Verpiss dich«, zischte Tannenberg.
    In einer anderen Situation hätte er sich garantiert köstlich über die interessante Doppelbedeutung seines Ausspruchs amüsiert. Doch in seiner gegenwärtigen Lage drang dieses Wortspiel überhaupt nicht auf die Bewusstseinsebene vor. In seinem Gehirn regierte das mentale Chaos: Erinnerungsbilder, Gedankensplitter, Stimmenfetzen polterten wild durcheinander.
    Auch äußerlich war er das reinste Nervenbündel. Beide Beine trippelten auf der Stelle, der Oberkörper pendelte unentwegt hin und her, auch Hände und Arme waren permanent in Bewegung. Ab und an erhob er sich, öffnete das Fenster, schloss es wieder, blickte in den Spiegel, wendete sich ab, schaute aus dem Fenster, setzte sich wieder auf die Klobrille.
    Irgendwo auf der Bahnstrecke zwischen Homburg und Kirkel vibrierte und lärmte es plötzlich in seiner Brusttasche. Mit zitternden Fingern zerrte er das Handy heraus, tippte auf die grüne Taste und warf es ans Ohr.
    »Mensch, Geiger, geh sofort aus der Leitung, ich erwarte einen wichtigen Anruf«, blökte er seinen Mitarbeiter an und drückte ihn weg. »Idiot«, grummelte er vor sich hin, während sein Blick genervt an die Decke wanderte.
    Nur wenige Sekunden später vibrierte abermals das Handy in seiner Hand. Tannenberg fuhr zusammen. Auf dem Display blinkte ›unbekannter Anrufer‹. Er spürte seinen Herzschlag im Halse pochen. Zitternd betätigte er die Verbindungstaste.
    »Simon befiehlt«, meldete sich die

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