Kindspech: Tannenbergs achter Fall
zu. »Geht klar. Aber wieso?«
»Als Kriminalbeamter sollten Sie sich diese Frage eigentlich selbst beantworten können.«
Bei Tannenberg fiel endlich der Groschen. »Klar!« Er senkte die Stimme und flüsterte: »Es handelt sich um Schwarzgeld.«
Ein zynisches Lächeln umspielte August Krehbiels Lippen. »Und zwar um welches aus ziemlich dunklen Kanälen. Fragen Sie jetzt besser nicht weiter.«
Tannenberg wurde immer mulmiger zumute. Er rutschte unruhig auf seinem Sessel herum. Was meint dieser offensichtlich doch nicht so untadelige Unternehmer mit dieser Andeutung?, fragte er sich in Gedanken. ›Drogenhandel‹, ›Prostitution‹, ›illegales Glücksspiel‹ waren nur einige der Begriffe, die gerade in seinem Hirn aufblitzten.
»Aber Sie könnten doch einfach zu Ihrer Bank gehen und sich legal das Geld leihen«, unterbreitete der beurlaubte Leiter des K 1 einen weitaus seriöseren Alternativvorschlag, mit dem er bedeutend besser würde leben können.
Grinsend lehnte sich August Krehbiel in seinem Ledersessel zurück und hob die Augenbrauen. »Also, mein lieber Herr Tannenberg, das wäre selbst für mich ein wenig zu viel an Großzügigkeit. Ich denke, Sie können mit dem in Aussicht gestellten Geld mehr als zufrieden sein, nicht wahr?«
Du Idiot!, schimpfte Tannenbergs innere Stimme. Du musst diese Chance unbedingt nutzen! Es ist vielleicht Emmas einzige!
»Selbstverständlich, Herr Krehbiel. Entschuldigen Sie, in meinem Kopf geht es im Moment ziemlich drunter und drüber«, flötete der Kriminalbeamte als Reaktion auf den Einwurf seines psychischen Korrektivs.
»Das ist nur allzu verständlich. Noch etwas anderes, Herr Hauptkommissar: Wenn wir jetzt gleich hier rausgehen, müssen Sie Ihrer Familie glaubwürdig mitteilen, dass ich Ihren Herzenswunsch leider nicht erfüllen konnte. Sie müssen mein Entgegenkommen unter allen Umständen streng vertraulich behandeln. Haben wir uns dahin gehend verstanden?«
»Ja.«
»Gut. Ich besorge das Geld und teile Ihnen im Laufe des späten Nachmittags mit, wo wir uns treffen werden. Und dann können Sie diesem Verbrecher die geforderte Million in den Rachen werfen.«
Bist du etwa kein Verbrecher?, dachte Tannenberg. Aus naheliegenden Gründen behielt er diesen Gedanken allerdings für sich.
Wie von Krehbiel gefordert, überbrachte er anschließend seiner Familie die niederschmetternde Botschaft. Mit hängenden Köpfen trotteten die Brüder gemeinsam mit ihrer verzweifelten Mutter zurück in die Beethovenstraße. Jeder hing seinen Gedanken nach.
Tannenberg fühlte sich wegen der ihm abgetrotzten Notlüge und in Anbetracht des Schwarzgeldes zwar nicht sonderlich wohl in seiner Haut, aber die Erleichterung über die Lösegeldzusage überwog bei Weitem. Die Rettung Emmas hatte allerhöchste Priorität. Um dieses Ziel zu erreichen, war ihm jedes Mittel recht, egal ob legal oder kriminell.
Legal – illegal – scheißegal!, schoss ihm ein Spontispruch aus seiner Schulzeit durch den Kopf. Vielleicht können wir ja den Entführer mitsamt seiner Beute fassen. Dann kann ich Krehbiel das Geld gleich wieder zurückgeben und Eberle gegenüber behaupten, der Restbetrag sei nur Papier gewesen – oder Falschgeld.
»Falschgeld!«, stieß Tannenberg urplötzlich mitten auf der Richard-Wagner-Straße aus. Er blieb abrupt stehen und schlug sich an den Kopf. »Falschgeld. Das ist die Lösung! Warum bin ich Hornochse da nicht früher draufgekommen.«
Autos hupten, ein Cabriofahrer zeigte ihm den Vogel und forderte ihn lautstark zum Überqueren der Straße auf.
»Was ist mit Falschgeld?«, fragte Heiner, als sein Bruder bei ihm auf dem Bürgersteig eintraf.
»In unserer Asservatenkammer wartet ein ganzer Sack mit Falschgeld auf seine Vernichtung. Das sind mehrere Millionen Euro. Diese Blüten haben Spitzenqualität. Die waren selbst von unseren Fachleuten mit bloßem Auge nur schwer als Falschgeld zu identifizieren gewesen.«
»Und die willst du dir ausborgen?«
»Ja, sicher. Wenn der Mertel das macht, merkt das keiner!« Freudig erregt knetete er die Hände. »Der Entführer am allerwenigsten.«
Dann brauchen wir von der Bank keinen einzigen Cent und der Krehbiel kann seine dreckige Kohle behalten, ergänzte er in Gedanken.
15 Uhr
Dr. Schönthaler war in der Wohnung seines Freundes geblieben und hatte im Internet recherchiert. Als die beiden Brüder zurückkehrten, bombardierte er sie sogleich mit einer Frage: »Habt ihr schon mal etwas von der ›Minnesota-Studie‹
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