Kindspech: Tannenbergs achter Fall
Sohnes gefunden?«
»Ja.«
»Konnte man ihn eindeutig identifizieren?«
»Das haben uns die thailändischen Behörden jedenfalls versichert.«
»Sie oder Ihr Mann haben ihn aber nicht persönlich identifiziert?«
»Nein, das war auch gar nicht möglich.« Sie schluckte trocken, schniefte. »Er muss fürchterlich ausgesehen haben.«
»Wurde er mit einem DNA-Abgleich identifiziert?«
»Ja.«
So etwas kann man manipulieren. Ein paar Hundert Euro Bestechungsgeld – und alles ist dort unten möglich, sinnierte Tannenberg. Ich möchte nicht wissen, wie viele damals die einmalige Chance genutzt haben, um von der Bildfläche zu verschwinden. Allein schon wegen ihrer Lebensversicherungen. Er hatte eine Idee.
»Wurde Ihr Sohn in Thailand beerdigt?«, fragte er.
»Zunächst ja.« Die betagte Frau brach ab, begann zu schluchzen. Sie schien von ihren Erinnerungen überwältigt zu werden.
Doch Tannenberg ließ nicht locker. »Was heißt das?«
»Wir haben ihn in die Heimat überführen lassen. Es war der letzte Wunsch meines verstorbenen Mannes gewesen«, wimmerte sie mit tränenerstickter Stimme. »Er wollte mit seinem einzigen Kind beerdigt werden. Nun liegt er gemeinsam mit Knut in unserem Familiengrab.«
»In Wismar auf dem Hauptfriedhof?«
»Nein, auf dem Ostfriedhof.«
9 Uhr 45
Als sein bester Freund in den Katakomben des Westpfalzklinikums erschien, bereitete Dr. Rainer Schönthaler gerade die Obduktion eines alten Mannes vor, der tags zuvor bei einem Zimmerbrand ums Leben gekommen war. Mit hastig vorgetragenen Worten legte ihm Tannenberg die verblüffenden Neuigkeiten dar.
»Wenn dieser Knut Mattissen …«
»Wischnewski«, korrigierte der Leiter des K 1.
»Egal. Wenn dieser Kerl tatsächlich tot ist, können wir unsere bisherige Theorie natürlich ad acta legen. Aber wer steckt dann hinter Emmas Entführung? Das wird ja wirklich immer nebulöser.«
»Ja, leider«, seufzte Tannenberg. Er rieb sich fest die Stirn, so als wolle er sein Gehirn damit auf Trab bringen. »So eine verdammte Scheiße! Das war unsere einzige heiße Spur.« Mit einem Mal fletschte er die Zähne und knurrte: »Verflucht und zugenäht, ich glaub das einfach nicht!«
»Was glaubst du nicht?«
»Dass Lars’ Zwillingsbruder tatsächlich in diesem Grab liegt.« Er schlug die Faust in seine andere Hand. In den lauten Knall hinein verkündete er: »Ich glaub es erst, wenn er exhumiert wurde.«
»Was, du willst ihn exhumieren lassen?«
»Ja, auf alle Fälle. Und zwar so schnell wie möglich.«
Der Pathologe stieß zischend seinen Atem durch die geschlossenen Zahnreihen und winkte ab. »Komm, vergiss es! Wo willst du Traumtänzer denn die richterliche Anordnung dafür herkriegen? Ich denke, es soll niemand etwas von unserem Alleingang erfahren.«
»Könntest du denn nicht …?«, fragte Tannenberg mit bettelnder Miene. Den Rest ließ er unausgesprochen.
»Was könnte ich?« Dr. Schönthaler krauste die Stirnpartie. »Du willst mich jetzt wohl hoffentlich nicht auffordern, nach Wismar zu fahren, bei Nacht und Nebel das Grab zu öffnen und dem Leichnam eine Gewebeprobe zu entnehmen.«
»Doch, du hast es genau erraten.« Der Kriminalbeamte machte eine entschuldigende Geste. »Was sollen wir denn machen, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, diese Frage eindeutig zu klären?«
»Wolf, du hast sie doch nicht mehr alle!«, polterte der Rechtsmediziner. »Also erstens ist es ausgesprochen unwahrscheinlich, dass sich in diesem Grab ein anderer als dieser Knut befindet.« Er legte eine kurze Denkpause ein. »Alles andere ist doch purer Blödsinn! Und zweitens würde es schätzungsweise einen ganzen Tag dauern, bis ich wieder hier wäre. Du verrennst dich mal wieder total. Denk besser darüber nach, welcher Mistkerl wirklich dahintersteckt. Emma wird wohl kaum von einem Toten entführt worden sein.«
»Nein, Rainer, das glaub selbst ich nicht. Aber wir brauchen endgültige Gewissheit. Ich werde den Verdacht nicht los, dass in diesem Grab ein anderer liegt und wir es doch mit dem Zwillingsbruder von Lars Mattissen zu tun haben. Das ist zwar nur so ein Gefühl …«
»Du und deine Gefühle – welch ein mysteriöses Labyrinth«, höhnte Dr. Schönthaler. Er schüttelte den Kopf, presste die Kiefer fest aufeinander. Man sah ihm an, dass sein kreatives Gehirn unter Hochdruck arbeitete. Plötzlich stach er wie ein Florettfechter auf seinen Freund ein. »Mir ist da gerade eine Idee gekommen.«
»Und welche?«
»Ich hab mal bei
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