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Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Titel: Kindspech: Tannenbergs achter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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Kriminalpolizei in Kaiserslautern. Wir sind im Laufe unserer Ermittlungen auf einen Mann namens Knut Wischnewski gestoßen. Er wurde am 14. März 1956 in Rostock geboren. Handelt es sich dabei um Ihren Adoptivsohn?«
    »Ja.«
    »Würden Sie mir bitte ein paar Fragen beantworten?«
    »Warum denn?«
    »Reine Routine«, log der Kriminalbeamte. »Ihr Sohn ist 1990 nach Thailand ausgewandert, stimmt das?«
    »Ja.«
    »Haben Sie noch Kontakt zu ihm?«
    »Nein.«
    »Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?«
    »Im Herbst 2004.«
    »Und wann haben Sie zum letzten Mal mit ihm telefoniert oder einen Brief von ihm erhalten?«
    »Weihnachten 2004.«
    Tannenberg überlegte einen Augenblick, ob er die alte Dame direkt auf den Grund für diesen Kontaktabbruch ansprechen sollte. Aber aus Angst davor, sie möglicherweise damit zu verprellen, schob er dieses Thema nach hinten. Zunächst wollte er noch einige Informationen einholen. »Erzählen Sie mir bitte etwas über ihn.«
    »Was denn?«
    »Na, zum Beispiel etwas über seinen Beruf.«
    Knuts Adoptivmutter räusperte sich. »Er besaß in Thailand eine große Tauchschule.« Sie schien allmählich ein wenig aufzutauen. Ihre Stimme wurde klarer und fester. »Er war ein begeisterter Taucher, aber ein noch viel besserer Schwimmer. Knut war in mehreren Schwimmdisziplinen Rekordhalter und Mitglied der DDR-Olympiamannschaft. Er war der Favorit im Schwimmen.« Sie stockte und seufzte auf. »Aber dann kam ja leider der Boykott der Olympischen Spiele 1980 in Moskau.«
    Um das Gespräch weiter in Gang zu halten, legte Tannenberg schnell eine Frage nach. »1990 ist er nach Thailand ausgewandert. Das war direkt nach der Wende, nicht wahr?«
    »Ja. Irgendwann hatte er plötzlich die Nase gestrichen voll von der DDR. Außerdem war eine eigene Tauchschule schon immer sein Lebenstraum gewesen.«
    »Hat Ihr Sohn eine Frau, eine Familie?«
    »Nein«, kehrte die alte Dame zur Einsilbigkeit zurück.
    »Was ist er denn für ein Mensch?« Blöde Frage, dachte Tannenberg und berichtigte sie umgehend: »Mit welchen Eigenschaften würden Sie seine Persönlichkeit umschreiben? Ist er launisch, mutig, ängstlich, …?«
    »Ängstlich?«, fiel ihm Almut Wischnewski mit einem höhnischen Kichern ins Wort. »Nein, also das war er bestimmt nicht. Schon als kleiner Junge hatte er vor nichts und niemandem Angst. Und später erst recht nicht. Er ist immer gradlinig und diszipliniert seinen Weg gegangen. Wir waren stolz auf ihn. Er war ein richtiger Prachtjunge.«
    Na, so ein unglaublicher Prachtjunge wird er wohl kaum gewesen sein, sonst hätten Sie garantiert nicht den Kontakt zu ihm abgebrochen, kommentierte der Kriminalbeamte in Gedanken. Oder ging es etwa von ihm aus? Oder von seinem Adoptivvater? Nein, seine eigene Mutter hat bestimmt selbst ihren Herzbubi verstoßen – warum sonst würde sie nur in der Vergangenheitsform von ihm sprechen?
    »Wenn Knut solch ein Prachtjunge war, wie Sie behaupten, wieso haben Sie dann den Kontakt zu ihm völlig abgebrochen?«, konfrontierte er Almut Wischnewski mit der entscheidenden Frage.
    »Hab ich ja gar nicht.«
    »Also wollte er keinen Kontakt mehr zu Ihnen haben.«
    »Nein, nein. Was behaupten Sie da eigentlich?«, empörte sich die alte Dame. »Wir haben unseren Sohn über alles geliebt. Und er uns!«
    »Und warum reden Sie dann in der Vergangenheitsform über ihn, so als ob er tot sei?«
    »Ist er ja auch.«
    »Was?«, stieß Tannenberg entsetzt aus.
    »Ja, er ist Weihnachten 2004 bei diesem schrecklichen Tsunami ums Leben gekommen.«
    Mit einem Schlag war Tannenberg klar, dass die alte Dame nicht deshalb im Präteritum von ihrem Sohn gesprochen hatte, weil sie nichts mehr von ihm wissen wollte, sondern weil er offenbar bereits seit einigen Jahren tot war.
    Du Idiot!, beschimpfte er sich selbst. Du bist so was von befangen und blockiert. Kein Wunder, dass dich Eberle suspendiert hat. Er benötigte noch einige Sekunden, bis ihm die ernüchternde Konsequenz dieser Information vollends bewusst wurde: Aber das bedeutet ja, dass Knut gar nicht Emmas Entführer sein kann – weil er tot ist.
    Sein Gehirn war zunächst wie paralysiert. Doch auch als er wieder einigermaßen klar denken konnte, wollte er diese überraschende Wendung einfach nicht wahrhaben. Irgendetwas in ihm sträubte sich vehement dagegen. Mit einer Mischung aus Sturheit und kriminalpolizeilicher Berufsskepsis zog er die Aussage seiner Gesprächspartnerin in Zweifel: »Hat man damals den Leichnam Ihres

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