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Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Titel: Kindspech: Tannenbergs achter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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einem Kongress einen unheimlich netten Kollegen aus Meck-Pomm kennengelernt: Gustl Grieshammer.« Ein Schmunzeln huschte über sein Gesicht. »Ein völlig verrückter Urbayer in Mecklenburg-Vorpommern. Kannst du dir das vorstellen?« Er bemerkte selbst, dass er gerade vom eigentlichen Thema abzuschweifen drohte, und räusperte sich verlegen. »Gustl arbeitet als Forensiker beim LKA. Den könnte ich mal anrufen. Der ist mir sowieso noch einen Gefallen schuldig.«
    »Du glaubst, der würde uns helfen?«
    »Für einen Kasten Paulaner Weißbier macht ein richtiger Bayer so ziemlich alles.«
    Der Gerichtsmediziner suchte gerade aus seinem Notizkalender die Telefonnummer heraus, als das Handy seines Freundes klingelte.
    »Na, haben Sie sich gut erholt?«, fragte eine Stimme, die Tannenberg unwillkürlich an seinen ehemaligen Klassenkameraden Lars Mattissen erinnerte.
    »Wo ist Emma?«
    »Ihre süße Kleine ist natürlich bei mir.«
    »Warum halten Sie sich nicht an unsere Abmachung und …«
    »Ich wüsste nicht, dass wir beide eine Abmachung haben.«
    »Sie haben doch das Geld. Lassen Sie endlich Emma frei!«
    »Hm, hm, hm«, ertönte ein summendes Geräusch, dessen tadelnder Unterton nicht zu überhören war. »Ich glaube, Sie verkennen völlig Ihre Situation, mein lieber Herr Hauptkommissar. Haben Sie etwa unser kleines Spiel vergessen? Simon reagiert nicht auf irgendwelche Forderungen seiner Mitspieler. Er befiehlt, und die anderen müssen gehorchen.« Ein teuflisches, mit einem gespenstischen Nachhall einhergehendes Lachen erklang. »Na, wie steht es denn um Ihre körperliche Fitness?«
    »Wieso?«
    »Weil Sie eine ziemlich gute Kondition brauchen, wenn Sie weiter mitspielen wollen. Und das wollen Sie doch, nicht wahr?«
    »Mir bleibt ja nichts anderes übrig«, stöhnte Tannenberg.
    »Das sehe ich genauso. Schön, dass Sie dazu bereit sind. Wir machen nun einen kleinen Wettlauf gegen die Uhr, bei dem es um nichts Geringeres geht als um Leben und Tod. Und zwar um Emmas Leben und Tod.«
    Tannenbergs Magen krampfte sich zusammen, er atmete schwer und stoßartig.
    »Sie sind bereit dazu?«, setzte der Entführer nach einer kurzen Pause hinzu.
    »Muss wohl.«
    »Also, dann stellen Sie mal Ihre Lauscher. Simon says: Begebe dich zu Fuß in den Stadtpark und suche dort nach einer versteckten Plastiktüte. Es darf dir niemand dabei helfen. Du darfst weder ein Handy mit dir führen, noch Kontakt zu deinen Kollegen oder deiner Familie aufnehmen. Und denke stets daran: Jeder Versuch, das Spiel auf irgendeine Weise zu manipulieren, führt zum sofortigen Abbruch und zur Bestrafung des Mitspielers. In deinem speziellen Fall sieht die Spielregel den sofortigen Tod dieses süßen, unschuldigen Fratzes vor. Und das willst du doch nicht, oder?«
    Mit zitternder Hand fasste sich Wolfram Tannenberg an die Kehle, er hatte Angst zu ersticken. »Nein«, keuchte er.
    »Sie haben alles verstanden?«
    »Ja.«
    Ein sarkastisches Lachen ertönte. »Sehr schön.« Nach einem geräuschvollen Atemzug verkündete die Männerstimme: »Simon says: Du hast bis 12 Uhr Zeit, das Rätsel zu lösen.«
    »Welches Rätsel? Wo soll ich überhaupt suchen?«
    Die Leitung war tot.
     
     
    10 Uhr 05
     
    Er hatte eine halbe Schlaftablette in Kindertee aufgelöst. Emma hatte die Flasche bis auf den letzten Tropfen ausgetrunken und sich die ganze Nacht über nicht gerührt. Nun ließ die Wirkung des Narkotikums allmählich nach, und das kleine Mädchen dämmerte vor sich hin. Im Halbschlaf träumte sie von ihrem letzten Badeausflug an den Gelterswoog.
    Sie saß am seichten Ufer des Sees. Kurt lag neben ihr und ließ sie nicht aus den Augen. Emma schüttete mit einer Gießkanne Wasser in ihr buntes Eimerchen. Sobald es voll war, kippte sie es in ein Loch, das sie in den weichen roten Sand gegraben hatte, und wartete, bis der bärige Familienhund ein paarmal seine riesige Zunge durch das Wasser gezogen hatte. Immer, wenn das Seewasser versickert war, begann das Spiel von Neuem.
    »Em-ma«, rief jemand.
    Emma blickte auf und sah ihre Mama, wie sie ihr von der Liegewiese aus fröhlich zuwinkte. Sie winkte kurz zurück, dann machte sie sich wieder an die Arbeit, schließlich hatte Kurt großen Durst. Sie tauchte ihr Gießkännchen in das trübe Seewasser und goss es in einem dicken Strahl in das Eimerchen. Sie hörte das plätschernde Wasser und das erwartungsvolle Brummen des gutmütigen Mischlingshundes. Sie lächelte und rekelte sich wohlig.
     
     
    10 Uhr

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