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Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Kindspech: Tannenbergs achter Fall

Titel: Kindspech: Tannenbergs achter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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    »Ich muss sofort los«, sagte Tannenberg mit anschwellender Stimme. Er drehte sich zur Tür, wedelte dabei hektisch mit den Armen und fegte eine Metallsäge von einem chromfarbenen Beistelltischchen.
    »Warte«, versetzte Dr. Schönthaler und zupfte an seinen Gummihandschuhen herum, »ich komme mit.«
    »Nein, das geht nicht. Er hat gesagt, dass ich alles allein machen muss.«
    »Aber der kennt mich doch überhaupt nicht.«
    »Woher willst du das wissen? Nein, du bleibst hier und rufst diesen Gustl an!«, befahl sein Freund. »Wir brauchen Gewissheit. Aber in dem Grab muss ein anderer liegen. Das war Lars’ Stimme – oder vielmehr die von Knut.«
    »Komm, jetzt beruhige dich erst mal.«
    »Nein, ich hab keine Zeit. Ich muss weg.«
    »Jetzt warte doch mal einen Augenblick.« Der Rechtsmediziner trat zu Tannenberg und schlang seine krakenhaften Arme um ihn herum. Er drückte ihn ganz fest ans Herz, schien ihn überhaupt nicht mehr loslassen zu wollen. »Junge, pass ja auf dich auf. Versprichst du mir das?«
    »Ja«, gab Wolfram Tannenberg gedehnt zurück. Er befreite sich aus der klammerartigen Umarmung und verschwand aus dem weiß gekachelten Sektionsraum.
    Obwohl die gleißende Sommersonne noch lange nicht im Zenit stand, hatte sie die Innenstadt bereits in einen aufgeheizten Backofen verwandelt. Trotzdem joggte Tannenberg die Böckingstraße hinunter und die Goebenstraße entlang. An der Königstraße musste er wegen des dichten Autoverkehrs an der Ampel warten. Er hechelte wie ein abgehetzter Jagdhund.
    Mein lieber Knut, ich war zwar nicht wie du im Olympiakader der DDR, aber auch ich hab früher Leistungssport betrieben. Auch wir Regionalliga-Handballer haben professionell trainiert. Unser Trainer war ein richtig harter Hund. Also unterschätze meine Kondition nicht. Ich hab noch mehr drauf, als du vielleicht ahnst, prahlte Tannenberg in Gedanken.
    Doch kaum einen Wimpernschlag später meldete sich sein linkes, arthrotisches Knie mit einem stechenden Schmerzreiz zu Wort. Scheiße, fluchte er, dich elenden Quälgeist hab ich ja ganz vergessen.
    Verdammt, ich glaube, ich hätte dieses liebe Knutchen vorhin mit seinem vollen Namen ansprechen sollen. Was heißt mit seinem Namen, wohl eher mit seinen Namen: Wischnewski und Mattissen. Vielleicht hätte er dann ja aufgegeben, weil er dann gewusst hätte, dass wir ihn identifiziert haben. Ich mach’s beim nächsten Mal.
    Die Ampel sprang um. Wieder rannte er los, aber der Schmerzreiz war so stark, dass er abbrechen musste und sich nur noch mit schnellen Schritten fortbewegen konnte.
    Nein, das wäre wahrscheinlich doch nicht so gut, revidierte er schlagartig sein Vorhaben. Wer weiß, wie er darauf reagieren würde. Womöglich mit … Nein, nein, das wäre völliger Blödsinn. Er muss auch weiterhin glauben, dass er alle Fäden in der Hand hält und wir nach wie vor nicht wissen, wer er ist.
    Tannenberg blickte auf seine Armbanduhr. Schon Viertel nach zehn. Was hat dieser Mistkerl nur für mich ausgeheckt? So ein Scheißspiel!
    Zügigen Schrittes eilte er durch die Roonstraße und passierte die Stelle, an der früher das städtische Hallenbad stand. Kurz danach erreichte er das nordwestliche Eck des Stadtparks. Suchend blickte er sich um und raufte sich mit beiden Händen die schweißnassen Haare. Wo soll ich hier denn eine Plastiktüte finden?, fragte er sich verzweifelt. Und ich soll auch noch ein Rätsel lösen. Verfluchte Hacke!
    Jammere nicht, tu endlich etwas!, feuerte ihn seine innere Stimme an.
    Und was?
    Such die Plastiktüte!
    Er betrat den menschenleeren Park und inspizierte zuerst die Bäume und Sträucher. Doch außer einem vergilbten Stoffdrachen, der hoch oben im Geäst einer riesigen Platane hing, entdeckte er nichts. Anschließend spähte er hinter und unter jede Bank. Er kippte sogar den Inhalt eines jeden einzelnen Mülleimers auf den Boden und wühlte in dem Unrat herum. Er fand zwar einige Plastiktüten, aber diese enthielten lediglich leere Flaschen, angebissene Brote, Milchtüten oder Joghurtbecher. Inzwischen war es kurz vor elf Uhr. Enttäuscht und völlig ausgepumpt sank er auf eine Metallbank nieder. Er legte den Kopf nach hinten und starrte in den wolkenlosen Himmel.
    »Was mach ich jetzt bloß? Was mach ich jetzt bloß?«, jammerte er. Soll ich etwa den ganzen Park umgraben? Er klatschte sich an die Stirn. Vielleicht ist das ja die Lösung! Vielleicht hat er die Tüte in einem der Sandkästen verbuddelt.
    Einem Springteufelchen

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