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Kindswut

Kindswut

Titel: Kindswut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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an. »Meinst du, ich erfinde das? Philip musste sich in diesem Krustenschrank in den Beichtstuhl setzen, vor dem mein Patient knien musste. Frau Körner bearbeitete ihn mit der Peitsche als Domina. Mein Patient beichtete unter den Peitschenhieben, was ihm seine Mami alles in früher Kindheit hatte angedeihen lassen. Er winselte, weil er seine liebe Mami nicht hatte bewahren können vor den Missetaten, die sie ihm aus Liebe hatte zukommen lassen müssen, so sagte er, ohne je zu verstehen, warum sie ihm ihre Liebe mit Schlägen, Essensentzug, tagelangem Einsperren im verdunkelten Zimmer, mit Entzug jeder Flüssigkeit bis hin zur völligen Austrocknung und Erschöpfung hatte angedeihen lassen müssen. Und er musste seine Schuld beichten, ohne zu wissen, worin diese bestand, oft mehrmals täglich, in der dunklen Speisekammer, bei halb geöffneter Türe, vor der die Mami stand, mit dem Teppichklopfer, den sie ›praktizierte ‹ , wenn, er stockte mit der Beichte, sie praktizierte, so sagte er, ihm also damit auf den nackten Hintern schlug, was ihn erregte.«
    Willy hatte die Backen aufgeblasen und ließ zischend die Luft ab. »Ich glaub es nicht.« Er schaute Maria ungläubig an. »Den Schrank gibt es wirklich?«
    »Den gibt es«, bestätigte ich.
    »Ich bin nie in der Wohnung gewesen«, ergänzte Maria. »Ich habe das alles nicht erfunden.«
    »Und woher weißt du das dann alles?«
    »Ich habe eine therapeutische Praxis. Was glaubst du, was du da nicht alles zu hören bekommst. Es gibt nichts, was es nicht gibt.« Sie überlegte. »Jetzt, wo sie tot ist, egal, also, Frau Körner war auch bei mir.« Sie trank wieder einen Schluck Bier und wischte sich mit der Zunge den Schaum ab. »›Die Stadl ist ein Teufel. Manchmal könnte ich sie umbringen. ‹ Das hat sie mehrmals gesagt. ›Aber ich bin abhängig von ihr. Ich stecke zu tief drin. ‹ « Maria wickelte sich eine Haarsträhne um den rechten Zeigefinger und zog daran. »Sie hat nie gesagt, worin sie zu tief drinsteckte. Ich glaube, sie war einfach nur völlig kaputt. Hat jahrelang Drogen genommen, nichts ausgelassen. Sie war merkwürdig naiv dazu. Ohne jeden Sinn für Dimensionen. Ein Auto klauen war für sie das Gleiche wie einen Lolly mopsen. Die Stadl gab ihr Halt, welchen auch immer.« Maria lachte unvermittelt. »›Diese dämlichen Visagen, die die Besitzer machen, wenn die Karre weg ist, möchte ich gerne sehen. Köstlich! ‹ , konnte sie sich amüsieren. Über die Hehlerei ist sie auch aufgeflogen. Sie hatte eine Edelkarosse klauen lassen, die schon geklaut war. Bei einer Polizeikontrolle ist der neue Besitzer aufgefallen.«
    Bei dieser Nachricht wurde ich hellhörig. Ich erzählte Maria von der Beerdigung und von meiner Entführung.
    »Die haben dich einfach so in den Kofferraum verstaut und auf einem Parkplatz abgestellt? Und sonst nichts weiter?«
    »Sonst nichts weiter.« Ich schaute sie fragend an. »Zutrauen würde ich der Stadl alles.« Ich taxierte die Vitrine. Die Vitrine war leer. Es gab auch keinen Nachschub mehr.
    »Wieso hast du nichts unternommen gegen diesen Puff? Der arme Philip!«, ereiferte sich plötzlich Willy. »Kann man nur froh sein, dass die Schlampe tot ist. Die Stadl am besten gleich hinterher! Du hättest den Jungen beschützen müssen!«
    Jetzt fühlte sich Maria angegriffen. »Da kann ich meine Praxis dichtmachen, wenn ich alles anzeigen würde.«
    »Man kann die doch nicht frei rumlaufen lassen!« Der Streit konnte leicht eskalieren. Sie hatten schon einiges getrunken.
    »Was macht der Philip eigentlich so tagsüber und überhaupt?«
    »Weiß ich nicht.« Maria war sauer. Es hatte keinen Sinn, ihr jetzt noch Fragen zu stellen. Sie schmollte. Mein Handy klingelte. Ich hob ab. Es war Frau Stadl.
    »Na, du Arschloch? Das nächste Mal bleibst du für immer drin im Kofferraum. Bis du erstickt bist. Wie gefallen dir deine Eier? Ich koche sie dir. Hart oder weich? Schau mal in den ›Tagesspiegel ‹ ! Wir sehen uns.« Sie legte auf. Ich hatte es mit einer Irren zu tun. Jedenfalls hatte ich jetzt die Gewissheit, dass hinter allem die Stadl steckte. Sie drohte mir. Ich musste nur noch herausfinden, warum. Ich erzählte Maria und Willy nichts von dem Anruf.
    Ich tappte zurück in meine Wohnung. Vor der Weinhandlung von Claus blieb ich stehen und schaute hoch in den vierten Stock. Da oben tobte der häusliche Wahnsinn. Nach all dem, was Maria erzählt hatte, und ich glaubte ihr jedes Wort, fahrlässig war sie nicht, auf ihre Art war sie

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