Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kindswut

Kindswut

Titel: Kindswut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
Vom Netzwerk:
Scherzworte, dass sie anwesend sein würden auf dieser Veranstaltung. Das machte mich noch wütender. »Habt ihr was gewusst und seid deswegen nicht hin?«
    »Gewusst?« Ludwigs Kasperlelächeln wurde breiter.
    »Vielleicht solltest du ja entführt werden, mein lieber Ludwig?«
    »Wovon redest du?« Ich war am Aufgeben. An diesem dämlichen Kasperlelächeln konnte man nur scheitern. Ich unternahm einen letzten Versuch. »Sagt euch der Name Stadl etwas?« Die Augen von Ludwig weiteten sich. Martha wechselte das Standbein. Sie lehnte am Herd. Das war ja fast schon ein Zeichen, ein Rauchsignal, wenn auch ein zaghaftes. »Und?«
    »Wie heißt die?«
    »Stadl!«
    Ludwig schaute fragend Martha an und zuckte dann mit den Schultern, als die nicht reagierte. »Nee.«
    »Die war auf allen Beerdigungspartys, auf denen Willy gespielt hat. Die willst du nicht kennen?«
    »Ich war nie auf den Partys.«
    Ich probierte einen neuen Ansatz. »Kennt ihr das St. Antonius-Stift?« Jetzt musste sich Ludwig ziemlich zusammennehmen. Nur sein linkes Lid zuckte. Er hatte seine Gesichtszüge stillgelegt. Kein Verkehr im Moment. Alle Muskeln leblos. Martha blieb ganz cool. Nur ihr Mund wölbte sich etwas vor. »Nee.«
    »Dein letzter Kunde verbrachte da drei Jahre, Herr Maibaum, dessen Gattin gestern eine schicke Trauerparty feierte. Auf dieser Party war auch Frau Stadl. Mich lässt das Gefühl nicht los, dass Herr Maibaum nicht dein erster Kunde aus diesem Stift war. Eine Angestellte des Stiftes war auf der Beerdigung. Die hat mir einiges gesteckt. Euch hat sie in diesem Altersheim schon gesehen, hat sie mir erzählt. Sie hatte auf dem Friedhof nach dir gefragt. Warum du nicht die Grabrede hältst.« Das war frei erfunden, dass die Angestellte die beiden im Stift gesehen hätte. Ich wusste nicht einmal, ob sie eine Angestellte dort war. Ich wollte auf den Busch klopfen. Ich hätte genauso gut irgendwelche Leute im Bus oder in der S-Bahn nach dem Osterhasen befragen können. Sie wollten partout von nichts etwas wissen.
    »Martha, du hast mir gestern im › Dollinger ‹ , als du mich um diesen famosen Gefallen gebeten hast, gesagt, diese Frau Maibaum hätte einen riesigen Freundinnenkreis, dem ständig die Männer wegsterben. Wortwörtlich so hast du das ausgedrückt. Die wollte Ludwig als Kundinnen nicht verlieren.«
    Martha rollte mit den Augen. »Das war so dahingesagt.«
    »Das war nicht so dahingesagt. Willy erzählte mir gestern im ›Lentz‹, der Maibaum war der fünfte Kunde aus diesem erlauchten Kreis.«
    »Mein Gott, Fritz, jetzt mach aus einer Fliege keinen Elefanten. Ludwig war knülle, ich hab’ dich um einen Gefallen gebeten. Und?« Ich kam mir vor wie ein abgewiesener Liebhaber. Eben fand ich sie noch charmant. Jetzt war sie zänkisch. Das stand ihr gar nicht. Die beiden hatten etwas zu verbergen. Da war ich mir sicher. »Ich kriege das schon raus.«
    »Was?« Martha sah mich herausfordernd an.
    »Euer kleines, süßes Geheimnis. Du hast diese Zeichnung gemacht, von der Frau Maibaum, mit ihrem toten Mann am Galgen. Ist dir das einfach mal eben so ganz spontan eingefallen?« Martha bewegte ihre linke große Zehe und schaute dem Zehenspiel aufmerksam zu. Ich erhob mich. »Danke für den Kaffee.« Sie brachte mich nicht bis zur Türe. Von Ludwig hatte ich es sowieso nicht erwartet.
    Ich ging früh ins Bett an diesem Abend. Die Cognacflasche und der viele Rotwein vom letzten Abend steckten mir noch in den Knochen. Aufseufzend über diesen schrecklichen Tag fiel ich angezogen auf mein Bett und schlief sofort ein. Mitten in der Nacht läutete das Telefon. Ich schaute auf die Uhr. Es war gerade Mitternacht vorbei. Das Läuten hörte nicht auf. Das konnte eine neuerliche Attacke von Frau Stadl sein. Darauf war ich nicht erpicht. Das Läuten nervte. Ich hob ab. Es war Willy. Er war ganz aufgeregt. »Du musst sofort ins ›Lentz‹ kommen.« Er stieß mit der Zunge an. Er war also schon ziemlich betrunken.
    »Wieso das denn?«
    »Du musst es sehen!«
    »Mensch, Willy!«
    »Eine Tote!« Willy legte auf. Ich überlegte, was ich machen sollte. Hysterisch war Willy nicht. Irgendetwas musste passiert sein.
    Ich machte mich auf den Weg ins ›Lentz‹. Willy sah mich sofort und winkte. Vor ihm lag die aufgeschlagene neue ›Tageszeitung‹. Willy zeigte mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf ein Foto. Es war eine hübsche Frau mittleren Alters. »Lies!«
    Ich las. Man hatte die Frau in der Nähe der Oderbaumbrücke tot in der Spree

Weitere Kostenlose Bücher