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Kindswut

Kindswut

Titel: Kindswut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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dessen waren wir uns sicher. Martha war es nicht. Wir hatten sie gefragt. Wir waren natürlich sehr neugierig, welche Bewandtnis es mit der Einladung auf sich hatte. Ich hatte eine Vorahnung. Barbara erging es nicht anders.
    »Fritz, wir müssen uns auf etwas gefasst machen.«
    Es war ein illustrer Kreis, der sich auf dem Rasen vor der Villa versammelt hatte. Häppchen und Champagner wurden gereicht. Der Justizsenator war da, auch die Senatorin für Familie und der Polizeipräsident waren gekommen. Die Intendantin vom Sender war anwesend, und auch Teilnehmer der Show › Deutschland sucht den Superstar ‹ waren da. Starlets garnierten den Rasen. Viele Vertreter und Vertreterinnen der Caritas, des Diakonischen Werkes, der Arbeiterwohlfahrt, des Roten Kreuzes, der AOK und anderer großer Krankenkassen sowie der Präsident der Kassenärztlichen Vereinigung waren gekommen. Die Kirchen waren da. Vertreter der Gewerkschaften ebenfalls. Ein Bassist und ein Klavierspieler gaben sich alle Mühe. Willy Fricke machte die Honneurs. Ein berühmter Mäzen mit schlohweißen Haaren war eingetroffen. Er beklagte den Zerfall des Kunstmarktes. Viele jüngere Menschen tummelten sich zu meiner Überraschung unter den Gästen. Sie hatten sich mit zarten Farben Tiermasken auf das Gesicht gemalt. Sehr dezent. Deutlich erkannte man die Masken erst aus der Nähe. Die jungen Leute in meinem Mietshaus hatten auf dem Fest, auf dem ich Lea traf und Philip sah, auch Tiermasken getragen.
    »Warum seid ihr hier?«, fragte ich einige von ihnen.
    »We can do it!« Sie lachten. Locker und sympathisch.   »Wir sind zum Spaß hier!«
    Drei Rollstuhlfahrer wurden über den Kiesweg geschoben. Die Räder sanken ein in dem Kies. Der Kies knirschte.
    »Schiebt sie auf den Rasen!« Das war schwierig. Die kleinen Vorderräder der Rollstühle blieben an der Grasnarbe hängen, die höher war als der Kiesweg. »Kippt die Rollstühle nach hinten!« Die Rollstühle wurden nach hinten gekippt und nach vorne geschoben, bis die Hinterräder die Grasnarbe berührten. Ein letzter Stoß, die Vorderräder senkten sich wieder, und die Rollstühle standen auf dem Rasen. Die Rollstuhlfahrer ruckelten während dieser Aktion vor und zurück. Sie zeigten keine Regung. In den Rollstühlen hätten Sandsäcke stehen können. Fotografen waren da. Eine Fotoshow sollte stattfinden. Man hatte den Rollstuhlfahrern Sektgläser wie Reisige zwischen die Finger gesteckt. Einer der Fotografen wollte ihnen ein Säckchen Potenzkräuter um den Hals hängen. Die Säckchen waren zu klein und auf den Fotos nicht zu erkennen. Man nahm sie ihnen wieder weg. Die Rollstuhlfahrer waren eingeschüchtert und wirkten wie aus einem Freak- und Krüppelfundus ausgeliehen.
    »Frau Senatorin, bitte ein Foto mit Ihnen!« Die Senatorin für Gesundheit stellte sich neben die Rollstühle. Sie lächelte in die Kameras, als wären die drei Rollstuhlfahrer frisch geborene Kälber, die gerade dem Leib der Senatorin entsprungen waren.
    »Bitte hierher sehen!«
    »Nein, hier zu mir!«
    »Schön so!«
    »Bitte noch mal!«
    Der Mäzen näherte sich der Szene. »Ein Kunstwerk. Dieses Gefrorene in der Haltung der Gruppierung. Rollstuhlfahrer auf Rasen mit Staatssekretärin am Nordpol freezing.«
    »Ein Bild mit Ihnen und der Senatorin!« Der Mäzen stellte sich zu den Rollstuhlfahrern. Einer der Rollstuhlfahrer bekam unvermittelt einen Spasmus in die Beine. Der Spasmus wirkte in den Beinen wie eine eingebaute, starke Feder, die hoch schnellte. Sie riss den Körper des Rollstuhlfahrers mit. Er schoss in die Höhe, ein Schrei entfuhr seinem geöffneten Mund. Der Spasmus schmerzte. Der Rasen dämpfte den Sturz des Mannes. Die Fotografen fotografierten. Das war doch ein Motiv! Die Senatorin und der Mäzen wollten den Mann hoch und zurück in den Rollstuhl ziehen. Der Mann stöhnte. Er hatte Schmerzen. Das Bein schnellte im Spasmus wie eine Schere klippklapp. Das zuckende Bein sperrte sich. Fast hatten der Mäzen und die Senatorin es geschafft.   Für die Fotografen ging es zu schnell. »Das Ganze noch mal!« Der Rollstuhlfahrer wurde wieder auf den Rasen gelegt. »Jetzt!« Die Senatorin zog. Dem Mäzen war die Puste ausgegangen. Er keuchte vor Anstrengung. »Tun Sie nur so!« Der Mäzen packte den Rollstuhlfahrer an seinem zuckenden Bein und schaute in die Kameras. Der Spasmus hatte viel Kraft und schüttelte den Mäzen. Es sah aus, als hätte der Mäzen Finger in der Steckdose, so wurde er durchgerüttelt.
    »Danke! Sehr

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