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Kindswut

Kindswut

Titel: Kindswut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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alter Mann, nur noch mit Oberhemd und Tanga bekleidet, wurde von zwei Polizisten vorbeigeführt. Er wollte sich unbedingt auch des Tangas entledigen. Die Polizisten hinderten ihn daran. Es gab ein Gezerre. Er hatte erstaunlich viel Kraft. Die Polizisten nahmen ihn in einen Sicherungsgriff.
    »Schauen Sie sich das bloß an!«, empörten sich die Rechtsanwälte. Es sah in der Tat martialisch aus. Die Kommissarin holte die Kippe hinter dem Ohr hervor und zündete sie sich an. Mit abwesendem Blick paffte sie vor sich hin. Die Rauchentwicklung war enorm. Ich dachte an eine Rangierlokomotive, deren Heizer unablässig Kohle ins Feuer schippte, um die Lok endlich auf Volldampf und in Fahrt zu bringen. Die Lok kam nicht in Fahrt, dafür explodierte sie. Die Kommissarin brüllte plötzlich los, was das Zeug hielt.
    »Wer verkuppelt diese Leute denn?«, schrie sie. »Wie viel haben Sie denn bereits abkassiert?«
    Polizisten erschienen. Die Kommissarin zeigte auf die zwei sich empörenden Herren. »Festnehmen!« So viel Temperament hatte ich ihr nicht zugetraut. Sie wirkte eher unterkühlt und sehr beherrscht. Die beiden Rechtsanwälte protestierten und lachten. Sie nahmen die Anweisung der Kommissarin, sie festzunehmen, nicht ernst. Die anwesenden Polizisten zögerten, den Befehl auszuführen. Sie warteten. Die Kommissarin zeigte auf den Feisteren der beiden. »Sie sind doch Rechtsanwalt Haber?«
    »Ja, bin ich!«
    »Dann schauen Sie sich das mal an!« Die Kommissarin reichte ihm ein Fax-Blatt. Der Rechtsanwalt las es. Sein Lachen war ihm mit einem Schlag aus dem Gesicht gewischt. »Wie finden Sie das?«
    Er gab der Kommissarin das Blatt wortlos zurück. Seine Unterlippe zitterte. Auf den Faxen sah man zwei der drei Zeichnungen abgebildet. Die von Martha fehlte. Sie zeigte sie ihm. »Kennen Sie diese Männer und die Frauen auf den Zeichnungen?« Der Rechtsanwalt sah auf die Zeichnungen, dann auf seinen Kollegen. Der schaute überall hin, nur nicht auf die Kommissarin und auf das, was sie in der Hand hielt. »Wie kommt es, Herr Haber, dass ausgerechnet von den Konten dieser zwei Männer nach deren gewaltsamem Tod erhebliche Summen auf Ihr Konto flossen, überwiesen von Frau Stadl? Erklären Sie mir das mal!« Die Unterlippe von Herrn Haber zitterte wellenförmig. Sein Kollege sah immer noch angestrengt in eine andere Richtung. Es nutzte ihm nichts. »Sie haben gegen Barzahlung alte Männer, darunter Demenzkranke, an Frauen verkuppelt, Herr Rechtsanwalt Doktor Schmitt!«
    Der Angesprochene machte ein Unschuldsgesicht. Wie zur Abwehr hob er beide Arme, öffnete die Handflächen und zog die Schultern hoch, als wollte er sich einem bösen Feind ergeben, der mit dem Gewehr auf ihn zielte. Ein spöttisches Grinsen umspielte dabei seinen Mund. Er fühlte sich sehr sicher.
    »Wovon reden Sie?«
    Die Kommissarin hielt ihm zwei der Faxe unter die Nase. Er las. Er las mehrmals. Dann nickte er ständig und rieb sich den Nasenrücken. »Das sind Quittungen!«
    »Allerdings. Mit Ihrer Unterschrift. Und der von Frau Stadl.«
    »Das besagt gar nichts.«
    »Die Quittungen nicht. Hier sind die Durchschläge. Da hat Frau Stadl handschriftlich vermerkt, wofür sie Ihnen das Geld bar ausgehändigt hat. Immerhin waren es 10.000 Euro. Außerdem hat Frau Maibaum im Verhör vorhin Ihre Rolle als Kuppler im Studio 2 bestätigt. Hier anwesende Gäste des Studio 2 ebenfalls. Sie waren der Kontaktmann unter anderem zum Altersheim St. Leopold. Sie fungierten als Warenlieferant. Sie sorgten für Nachschub. Die Ware waren alte, vereinsamte, pflegebedürftige Männer mit Geld, die an Frauen verkuppelt wurden. Manche dieser Alten erhielten eine Sonderbehandlung. Sie starben. Sie sehen es auf den Zeichnungen. Beihilfe zum Mord nennt man das. Aber das brauche ich Ihnen ja nicht zu erklären.«
    Das spöttische Lächeln war einer ausgesprochen schiefen Fresse gewichen, die der Rechtsanwalt, sichtlich geschockt, jetzt zog. Er wurde sich immer ähnlicher. Noch so ein Paukenschlag, und er würde winseln wie ein geprügelter Hund. Die beiden Männer ließen sich ohne Protest abführen. Die Kommissarin reichte Barbara und mir die Faxe. Wir lasen sie durch. Es waren Namenslisten und Kontoauszüge. Die Namenslisten waren durchnummeriert. Sie waren alle, wie zur Kontrolle, abgezeichnet von Frau Stadl.
    »Den Männernamen mit Nummern sind Frauennamen zugeordnet. Was ist mit ihren Vermögen geschehen? Haben sie diese Frauen geheiratet? Gibt es andere

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