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Kindswut

Kindswut

Titel: Kindswut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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an. Es gab einen alten Fahrstuhl mit einer Gittertüre, die bestimmt beim Öffnen laut rasselte, und eine breite Holztreppe, die hoch in die Stockwerke führte. Ich entschied mich für den Fahrstuhl. Die Gittertüre rasselte beim Öffnen tatsächlich sehr laut, und ich fuhr in den obersten Stock. Ich wusste nicht, in welchem Stock sie wohnte. Ich fing ganz oben an. Ich war einfach zu faul, die Treppen hochzusteigen. Ich stieg sie lieber herunter. Oben angekommen, schloss und öffnete ich die Gittertüre mehrmals. Sie rasselte laut und deutlich. Dazu trat ich ein paar Mal heftig gegen das Gitter. Ich machte richtig Krach, den die Staatssekretärin bestimmt hörte. Was macht er da? Huch!, dachte sie jetzt wahrscheinlich und ängstigte sich vor meiner Gewalt. Mit dieser Vorstellung einer sich ängstigenden Staatssekretärin verließ ich den Fahrstuhl und stieg die Treppen hinunter. Sie wohnte vier Etagen tiefer im zweiten Stock. Sie stand in der halb geöffneten Türe. Es war eine Flügeltüre aus hellem Nussholz und sah edel aus. Sie sah auch edel aus. Verängstigt war sie nicht. Sie hatte sich einen durchsichtigen Morgenmantel übergeworfen, unter dem sie so wahnsinnig viel nicht mehr trug. Es war ein Höschen aus zartester Spitze, recht knapp bemessen, die üppigen Brüste bewegten sich frei und lose. Ihre Figur war stämmig, aber durchaus wohlproportioniert. Ihr fleischiges Gesicht war stark gepudert, und sie hielt ihre rechte Hand im Höschen. Die Hand bewegte sich leicht. In ihren Augen lag etwas Herausforderndes. Die Lippen waren übertrieben pink geschminkt. Es war eine Szene, wie sie sich jeder Mann erträumte, wenn er von getaner Arbeit nach Hause kam, nur an das Eine dachte, und sofort hinter der Türe, ohne viel Federlesens, zur Sache kommen konnte. Ich kam zur Sache, stieß sie rüde zur Seite, ohne sie zu grüßen, durchlief einen Flur und betrat ein großes Berliner Zimmer, in dessen Kamin ein Feuer brannte. Das war die einzige Lichtquelle. Sie folgte mir. Ein Kronleuchter blinkte matt im Holzfeuer des Kamins. Ich fand den Schalter, und der Kronleuchter erstrahlte. Es war ein massives Gerät, das ordentlich was wog und bestimmt einiges aushielt. Ich sah in Gedanken saftige Schweineschinken, dem rötlich fleischigen Gesicht der Staatssekretärin nicht unähnlich, nebst älteren Herren unter den Lüstern baumeln.
    »Kronleuchter sind bei Ihnen offensichtlich eine Art Hausrequisit«, ließ ich mich vernehmen. Sie lehnte in der Türe am Türrahmen. Ihr Mund zuckte. Ihre Hand hatte sie nicht mehr im Höschen. Ich war kein Schleckerhäppchen, das war ihr nach meinem rustikalen Auftritt bereits klar. Sie versuchte, ihr durchsichtiges Nichts etwas um ihre Brüste zu drapieren, damit sie nicht allzu lose baumelten. Ein Anflug von Sittsamkeit. Ihr Blick war frech und aufreizend, mit einer gewissen Unschuld vermengt. Sie klapperte mit den Augenlidern. Sie konnte das sehr gut. Ich holte die Unterlagen aus meiner Jacke, sah mich um und knallte sie auf einen Biedermeiertisch. »Gucken Sie da mal rein!« Sie wölbte die Lippen nach vorne, sammelte Spucke hinter den Lippen und blubberte. Es war ein seltsames Geräusch. Etwas Spucke sabberte aus ihren Mundwinkeln. Sie hörte auf zu blubbern. Sie rührte sich nicht. Ich hatte Zeit. Auf einem Beistelltischchen entdeckte ich in einem Sektkübel eine noch nicht geöffnete Flasche Champagner und zwei Sektgläser. In einem Schälchen war Kaviar, in einem anderen Butter, daneben lag auf einem Tellerchen Pumpernickel in Scheibchen, die schwarz fettig glänzten. Ich nahm mir ein Scheibchen, häufte mit einem Löffelchen ordentlich Kaviar darauf und steckte es mir in den Mund. Es war köstlich. Ich nahm das ganze Schälchen und löffelte es leer. Das waren locker 200 Euro, die ich wegfutterte. Sie rührte sich nicht und lehnte immer noch an dem Türpfosten. »Ich an Ihrer Stelle würde doch einen Blick hineinwerfen.« Zögerlich bewegte sie sich auf den Biedermeiertisch zu. Womit hatte sie gerechnet? Mit einem stürmischen Galan? Einem Grobian? Einem Vollstrecker? Nach der Ankündigung Philips musste sie mit ihrem Ende rechnen. Konnte sie es noch umbiegen? Mich mit ihren Reizen um den Finger wickeln? Sie sah in ihrem durchsichtigen Fummel lächerlich verloren aus, als sie die Fotos betrachtete, nachdem sie sie aus dem Umschlag geholt hatte. Ihr ganzes Gesicht zuckte. Sie flatterte mit den Händen. Die Fotos waren ein Schock für sie. Damit hatte sie offensichtlich nicht gerechnet.

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