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Kindswut

Kindswut

Titel: Kindswut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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leicht und locker hingeworfen. Kein Wunder, dass Fricke sich per Zusammenbruch auf Nimmerwiedersehen verkrümeln wollte. Fricke war auf dem Brief fast zwergenhaft gezeichnet, aber ausgestattet mit einem Riesenschlegel, ein echtes Hammerding, das er, bei heruntergelassener Hose, der Staatssekretärin unter dem bekannten Kronleuchter von hinten zwischen die Arschbacken rammte. Dabei schlug die Staatssekretärin in einem satten Strahl ihr Wasser ab, das auf den Boden platschte und aufspritzte. Ihr Mund war weit geöffnet. Aus ihm wölbte sich eine Sprechblase, in der geschrieben stand: › Au ja, au ja. ‹ Mehr nicht. Auf der Zeichnung stand in feinstem Sütterlin geschrieben: › Entweder Sie outen sich heute Abend oder Sie finden ein tödliches Ende. ‹
    Das war klar und deutlich. Fricke sollte vor der versammelten Berliner Elite seine Sünden beichten. Das Rednerpult als öffentlicher Beichtstuhl. Mit Beichtstühlen kannte Philip sich ja aus. Der Beichtende glaubte sich immer in den guten Händen des verschwiegenen Priesters, der im Beichtstuhl saß und die Sünden vergab. In diesem Fall schoss der Priester Fotos. Es waren vier Aufnahmen. Fricke rammelte die Staatssekretärin vor dem Beichtstuhl in der auf der Zeichnung abgebildeten Pose, während Philip ganz offensichtlich im Beichtstuhl saß und beider Vergnügungen ablichtete. Wussten Fricke und die Staatssekretärin davon, war Philip etwa der besondere Fickkick, der das mürbe Fleisch Frickes überhaupt erst in Wallung brachte und die Staatssekretärin heftig in Schwung? Oder wusste es nur Fricke, der sich diese ihn aufgeilende Extravaganz ohne Absprache mit seiner Sexpartnerin einfach so leistete? War es überhaupt Philip, der die Aufnahmen gemacht hatte? Ich wusste es nicht. Alles war denkbar. Die vier Fotos waren aus dem Beichtstuhl geschossen worden. Man sah leicht verschwommen das feinmaschige Muster des Beichtstuhlgitters. Wer sonst, wenn nicht Philip, sollte im Beichtstuhl gesessen haben? Es war sein Platz. Er gehörte da hin. Sonst niemand. Aber wusste ich es wirklich? Nichts wusste ich. Ich war in die Mühle der Zersetzung geraten. Die Mühlsteine kreisten um mich, als wäre ich ein Sack Korn, der zu Mehl gemahlen werden sollte. Philip machte Tabula rasa. Er zahlte es seinen Peinigern heim. Ich würde ihn nicht daran hindern. Das war keinesfalls vernünftig.
    Die beigefügten Dokumente waren Namenslisten mit Berufsbezeichnungen und den jeweiligen Arbeitgebern. Es waren sehr viele Ärzte darunter. Niedergelassene Ärzte und Krankenhausärzte. Es fanden sich die Namen der Mitarbeiter unterschiedlichster Krankenkassen. Von der AOK bis zur TK. Hochrangige Vertreter dieser Kassen wollten den Ausführungen Frickes über Alterssex lauschen. Mitarbeiter von Pflegediensten waren aufgeführt. Es gab die Eintragung › Totenschein ‹ . Vier Namen von Ärzten waren notiert. Sie waren reichlich bedacht worden. Die Mitarbeiter von Beerdigungsinstituten und von zwei Friedhöfen waren auch auf der Liste. Auf einem dieser Friedhöfe war ich gewesen. Dort sollte ich die Grabrede für Frau Maibaums Mann halten. Ich wurde entführt.
    Es gab eine Namensrubrik › Angehörige ‹ . Darauf konnte ich mir keinen Reim machen. Ich hatte aber Fantasien. Angehörige unwilliger, sehr vermögender alter Männer wurden ermuntert, aus den Unwilligen Willige zu machen. Top Seller, Spitzenprodukte, Eile war angesagt! Die auf dem offenen Heiratsmarkt meistbietend verhökert wurden, bevor sie abkratzten. Heiratsmarkt und Umschlagplatz war Studio 2. Aber was hatten die Angehörigen damit zu tun? Ich ließ meiner Fantasie freien Lauf. Irgend so ein alter Sack hatte alles der Kirche vermacht. Ein Angehöriger schaute in die Röhre. Hatte sich in der Hoffnung auf das kommende Erbe bereits hoch verschuldet. Jetzt war alles futsch. Bankrott. Seniler Sack. Reiß dir die Eier ab. Krüppel, verfluchter. Angehöriger tobt. Drohte mit Selbstmord. Händeringen. Frau Stadl tauchte auf, Fricke tauchte auf. Beide tauchten auf. Wie aus einer Tiefseetaucherglocke. Wurde aber auch Zeit. Der Angehörige gründelte schon im Urschlamm der Verstörtheit, kurz vor dem endgültigen Versinken in geistige Finsternis. Der Angehörige wurde mit Aussichten auf eine schönere Zukunft aus dem Schlamm der Verzweiflung gehievt. Es gelang dem Angehörigen, mit massiver juristischer Unterstützung der Tiefseetaucher, dem Urschlamm vollends zu entsteigen, zu genesen, den alten Sack zu entmündigen. Testament ungültig.

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