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Kindswut

Kindswut

Titel: Kindswut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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Tod.« Sie versuchte ein Lächeln in meine Richtung. Die alles-halb-so-wild-Nummer war an der Reihe. Ich fand sie abstoßend.
    »Und dann, Sie Fotzengirli?« Sie überging meine Schmähung. Sie war abgebrüht.
    »Diese Herren wurden von Ärzten, auch von Angehörigen, veranlasst, in ein bestimmtes Altersheim umzuziehen, das direkt vom Senat verwaltet wurde.«
    »Da hatten Sie die Hand drauf?«
    »Ja.«
    »Und dieses Altersheim wurde von wem finanziert?« Die Frage war ihr peinlich. »Von wem also?«
    »Vom Senat.«
    »Von Ihnen also?«
    »Ja.«
    »Und in diesem Altersheim wurden diese alten Herren einer Art Sonderbehandlung zugeführt?«
    Damit wollte sie nichts zu tun haben. Sie starrte an die Decke. Ihre Hände waren zu einem festen Knoten verschlungen, der sich nie mehr lösen wollte. Die Knöchel waren spitz und weiß.
    »Einige dieser alten Menschen starben. Es wurde nachgeholfen. Es waren Morde in mehreren Fällen, die ich belegen kann. Es gibt Zeugen. Also machen Sie das Maul auf!«
    »Damit hatte ich nichts zu tun!«
    »Sie haben es vorbereitet und über Senatsmittel finanziert. Da wird viel Freude aufkommen. Sie haben mit Sicherheit von diesen, sagen wir mal, Kollateralschäden gewusst! Sie haben abkassiert! Sie kleines, korruptes Ferkelchen! Und jetzt will Philip, durchgeknallt wie er ist, Ihnen das Kehlchen aufschneiden, das Blut in einem Eimerchen auffangen und Blutwurst daraus machen. Die wird dann mit Sauerkraut und Kartoffelbrei in der Senatskantine serviert. Blutwurst Vera Kalb à la carte. Der Regierende Bürgermeister als Vorkoster. Wo kommt denn die feine Blutwurst her, will er wissen. Die Blutwurst fliegt auf. Wie finden Sie das?« Sie war nicht begeistert. Sie stürzte mit einem Schluck den Whisky runter.
    »Was soll ich jetzt tun?«
    »Sagte ich doch. Ein Geständnis ablegen. Ich kenne da eine Kommissarin. Dann in U-Haft gehen. Da sind Sie vorerst am sichersten. Philip meint es ernst. Jedenfalls solange er frei schalten und walten kann. Und das kann noch ein Weilchen dauern.«
    Sie war runter mit den Nerven. Alles an ihr hing. Die Nase, die Backen, die Arme, die Brüste, der Mund, das Kinn, die ganze Frau. Vor mir saß das Ende einer hoffnungsfrohen Karriere. »Wie kann man nur so blöde sein?« Zu mehr Kommentar reichte es bei mir nicht. Ich rief Barbara an.
    »Wo steckst du denn?«, beschwerte sie sich.
    »Ist die Kommissarin noch bei dir?«
    »Wir sind immer noch in Frickes Haus. Wo bist du?«
    »Ich bin bei der Staatssekretärin. Sie will ein Geständnis ablegen. Schlüterstraße 5.«
    »Wir sind gleich da. Ach übrigens, Fricke hat nicht überlebt. Herzinfarkt.« Ich legte auf. Ich schaute die Staatssekretärin an.
    »Fricke ist tot. Eine Kommissarin kommt gleich.«
    Die Papiere stopfte ich in den Umschlag zurück. Die Nacht war noch lang. Als Nächstes wollte ich mir den Arzt vornehmen, der den falschen Totenschein ausgestellt hatte. Frau Körner war bei dieser tödlichen Sonderbehandlung behilflich gewesen.
    »Ich geh dann mal.« Ich verließ den Raum. Sie sagte nichts. Sie würde nie wieder etwas sagen. Der Schuss fiel, als ich die Türklinke der Wohnungstüre in der Hand hielt. Es war eine schöne, polierte Klinke aus Messing. Sie blinkte im Licht des Flures. Ich ließ die Wohnungstür angelehnt. Die Kommissarin und Barbara würden bald kommen. Was sollte ich ihnen sagen? Nichts. Die Zeugin war tot. Ein Ende als Blutwurst gefiel ihr nicht. Ich ging die Schlüterstraße runter Richtung Kantstraße. Ich hatte Hunger. Bestimmt war in der Kant noch eine Dönerbude offen.
    Ein Auto bog vom Ku’damm in die Schlüter ein. Vermutlich waren es Barbara und die Kommissarin. Ich war der Köder am Angelhaken, mit dem ich Philip fangen wollte. Er war ein scheues Wild, das mir folgte. Da konnte ich die beiden nicht gebrauchen. Ich eilte auf die Kant zu und bog rechts ein in Richtung Savigny Platz. Die Dönerbuden hatten alle zu. Ich lief vor bis zum Savigny Platz und ging in den ›Zwiebelfisch‹. Da gab es früher bis in die Morgenstunden immer ein feines Süppchen. Ich war da oft Gast. Das feine Süppchen war neuerdings ab ein Uhr abgeschafft. Ab ein Uhr durfte geraucht werden, weil angeblich kein Gast mehr essen wollte. Es war eine reine Zwangsverordnung. Hartmut, der Wirt, stand in der Türe. Er schüttelte mir die Hand und raunte mir ins Ohr: »Setz dich ganz hinten in die Ecke. Das Süppchen ist in Vorbereitung. Linsensuppe mit Knacker.« Das war Ritterschlag und Süppchen auf einmal. Sonst

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