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Kindswut

Kindswut

Titel: Kindswut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Senf
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war Hartmut rigoros. Keine Privilegien! Ich durfte mir was einbilden.
    »Hartmut, klasse! Hab’ ich einen Kohldampf!«
    »Weiß ich doch!« Er blinzelte mir verschwörerisch zu. Das Süppchen wurde serviert. Köstlich! Hartmut übersah das Linsensüppchen mit stoischer Ruhe. Selbst Essig stand neben dem Teller. Gott vergelt’s ihm!
    Das war es aber auch schon mit dem lieben Gott. Ich fühlte mich gesättigt und gekräftigt und hatte die Absicht, den Arzt aufzusuchen, der in der Nacht den Totenschein ausgestellt hatte. Die zartgliedrige Martha hatte der Frau Maibaum als Domina sekundiert. Der von ihnen ›präparierte‹ Mann verreckte. Er wurde von dem Arzt ohne viel Aufhebens entsorgt. Philip schlich als trauriger Rabe krächzend aus der Wohnung. Auf der Liste waren die Namen mehrerer Ärzte eingetragen. Ich rief Martha an.
    »Jaaa?« Sie klang sehr verschlafen.
    »Wie hieß der Arzt, der den Totenschein ausstellte?«
    »Was ist los?«
    »Martha, hier ist Fritz, der Arzt, Maibaum, Totenschein  … !«
    »Bist du besoffen?«
    »Der Arzt, verdammt!«
    »Keine Ahnung. Mein Gott, mitten in der Nacht!«
    »Hieß er vielleicht Frank?«
    »Klaus Frank, so ein Hutzelmännchen, genau! Ein elender Geizkragen!«
    »Danke, Martha, Grüße an Ludwig!« Ich legte auf. Der Mann wohnte bei mir in der Nähe in der Sybelstraße. Vielleicht kannte ich ihn ja aus dem ›Dollinger‹. Vor dem ›Zwiebelfisch ‹ standen Taxis. Ich nahm mir eines. Auf der Fahrt in die Sybel spürte ich ein Kribbeln im Bauch. Ein Racheengel folgte mir. Es war keine Vergnügungsfahrt ins Blaue. Ich war gespannt, was Philip für diesen Dr. Frank in petto hielt. Es war fast fünf Uhr morgens, als wir in der Sybel hielten. Es war die Nummer 16. In dem Haus wohnte ein Maler, den ich gut kannte. Er verkehrte viel und oft im Hotel ›Bogota‹. »Keine Frau in meine Wohnung.« Er kam erst als älterer Jüngling auf den Geschmack und trieb es seitdem mit der Inbrunst eines Besessenen. »Fritz, ich hab’ nur zwei Stunden geschlafen.« Bisweilen beneidete ich ihn. Dabei sah er aus wie ein abgenagter Hagestolz. Dr. Frank. Ich drückte den Klingelknopf. Nichts rührte sich. Ich versuchte es wieder.
    »Wer’n’da?«
    »Polizei. Mordkommission. Dr. Frank?«
    »Wie?«
    »Dr. Frank?«
    »Jaaa  … ?«
    »Machen Sie auf. Mordkommission.«
    »Ach herrjeh, um die Uhrzeit?«
    »Mord ist Mord.« Es gab glücklichere Gespräche, der Summer ertönte, ich drückte die Türe auf und stieg die Treppen hoch. Der rote Teppichläufer war ausgelatscht und es stank penetrant nach Katzenpisse. Er wohnte im fünften Stock. Einen Fahrstuhl gab es nicht. Mir ging im vierten die Puste aus. Ich wollte verschnaufen. Ich gönnte es mir nicht. Nicht in dem Alter, Fritz! Avanti! Er stand in der Türe und wartete auf mich. Ich schnaufte wie ein Asthmatiker. Es war mir peinlich.
    Es war ein mickriges, dürres Männchen, unrasiert und mit dunklen Ringen unter den Augen. Aus dem ›Dollinger‹ kannte ich ihn nicht. Er hatte lange schwarze, nach hinten gekämmte Haare. Es war der Arzt, der auf der Polizeiwache den dicken Molly markiert hatte. Ich hatte ihn gefressen. Seine Hautfarbe war blass. Er hüstelte. Die Bronchien rasselten. Eine Kippe glimmte zwischen seinen Fingern. Sie waren Nikotingelb. Er war die Sorte Arzt, der dir alles anbot: Morphium, Kokain, Amphetamine, wie hätten Sie es denn gerne? Ein richtiges kleines Stück Ekel, das in der Türe stand und auf die Mordkommission wartete.
    »Zeigen Sie mir mal Ihren Ausweis!«
    Woher den Ausweis nehmen, wenn nicht stehlen? Ich verpasste ihm eine schallende Ohrfeige, dann noch eine, und weil es so schön schallte und er absolut nicht verstand, was und wie ihm geschah, schob ich noch eine dritte Watschen zum besseren Verständnis hinterher. Ich hatte Dampf abgelassen, und die Verhältnisse waren geklärt. Er drehte sich abrupt um. Er lief über den Flur vor mir her. Ich staunte. An den Wänden des Flurs, sorgfältig ausgeleuchtet, hingen teure Gemälde. Ein Lüpertz, ein Richter, ein echtes Gemälde von Watteau, ich blieb kurz davor stehen, um es mir anzuschauen, Expressionisten, Kirschner, Maler der neuen Sachlichkeit, Dix, Grosz hingen da. Diese Stinkratte hatte richtig Geld. Da hingen Millionen. Was hatte er außer Totenscheinen noch ausgestellt? Woher hatte er diese Bilder überhaupt? Die hingen nicht wohlfeil und beliebig wie krosse Enten in einem Chinalokal herum. Ich überlegte, ihm als saftigen Zungenlöser noch ein paar

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