Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
Vom Netzwerk:
waren für Liston. Zum Teil war dies natürliche Loyalität, ein kleiner Gruß in den Hochsicherheitstrakt von Alcatraz, wo ihr Ehrenhäuptling Frankie Carbo, »Mr. Gray«, eine lange Haftstrafe absaß, zunächst wegen illegalen Managements (nicht zuletzt wegen des illegalen Managements Sonny Listons) und dann wegen Erpressung. Soweit jeder wußte,managte Carbo Liston noch immer. Doch nicht nur aus Loyalitätsgründen stand der Mob hinter Liston. Loyalität ist Mobgefasel, ein Code, nur manchmal real. Nein, es war auch eine Frage der Ästhetik. Wie konnte sich ein Schwergewichtsweltmeister vor dem Präsidenten verneigen oder gar einen frömmlerischen Tugendbold wie Cus D’Amato ertragen? Und wie konnte ein Champion über seine Ängste reden wie eine … Frau? »Für sie«, schrieb Mailer über die Mobster am Ring, »war Patterson ein Irrer, etwas Ähnliches wie ein Vegetarier.«
    Als der Herausforderer betrat Liston zuerst den Ring. Er trug einen weißen Mantel mit weißer Kapuze, die spitz wie die eines Mönchs zulief. Seine Schultern, ohnehin schon groß wie Honigmelonen, waren nun noch größer; Liston hatte seinen Mantel mit Handtüchern ausgestopft. Die Menge hinter den Pressereihen buhte ihn aus. Liston begann mit dem Aufwärmen, reckte den Hals, rollte die Schultern, schoß lässige Geraden Richtung Boden, wie ein Geck, der seine Manschetten vorschnickt. Er hüpfte auf den Zehen, vor und zurück. Wenn je ein Mann ruhig, kraftvoll aussah, wenn je ein Kämpfer
bereit
aussah, dann Sonny Liston in diesem Augenblick.
    Dann kamen Patterson und seine Entourage. Sie kamen den Gang herabgewippt, ein brodelnder Strom von Köpfen. D’Amato war als offizieller Manager abgesägt worden – Patterson konnte dessen mangelndes Vertrauen in ihn nicht akzeptieren und war auch nicht sonderlich erfreut über Presseberichte, denen zufolge D’Amato, auch wenn er alles abstritt, mit »Fat Tony« Salerno einen Deal gemacht hatte, um den ersten Johansson-Kampf zu finanzieren, in New York ein Riesenskandal –, doch trotz alledem war D’Amato bei ihm, ging den Weg zum Ring voran. Mit seinem weißen Kurzhaarschnitt und seinem römischen Mund ließ D’Amatosich nichts anmerken, auch wenn er spürte, daß Blut fließen würde. Patterson dagegen konnte sein Entsetzen nicht verbergen. Er stieg durch die Seile in den Ring, aber verstohlen, nervös, kurze Blicke um sich werfend wie ein Dieb, der nachts in ein Fenster einsteigt und weiß, daß er jetzt endlich doch geschnappt wird. Er war in einem furchtbaren Zustand. Seine Blicke flackerten durch den Ring. Selten hatte man die Angst im Gesicht eines Kämpfers so deutlich gesehen. In späteren Jahren sah man sie auf Ken Nortons Gesicht vor seinem Kampf gegen George Foreman, später bei Michael Spinks, als er Mike Tyson gegenübertrat – beides Kämpfe, die nur wenige Minuten dauerten. Boxer ahnen das.
    Die ganze Zeit war Liston von einer geradezu ungehörigen Ruhe ergriffen gewesen. Am Morgen davor hatten sich die beiden Sekundantenteams wegen der Handschuhe, mit denen geboxt werden sollte, in den Haaren gelegen; es war eine jener ungeheuer komischen Szenen bei Sportereignissen, die üblicherweise mit wütender Miene und drohendem Unterton ausgetragen werden. Erwachsene Männer, die sich wegen einer Sportausrüstung streiten. Solche Auseinandersetzungen liefern den Reportern Stoff für ihren »Hintergrundbericht«, für ihre »Diese beiden Männer mögen einander einfach nicht«-Geschichten am Tag des Kampfs. Irgendwann behauptete Listons Mann, Jack Nilon, die Handschuhe seien einen Hauch schwerer als die geforderten acht Unzen, ein Unterschied, wie Nilon behauptete, der seinem Kämpfer einen Bruchteil seiner Kraft nehmen könnte. Die Brüllerei wurde immer heftiger, bis schließlich Liston dazwischenging.
    »Was ist denn los, verdammt?« sagte er.
    Man zeigte ihm die Handschuhe.
    »Ach, die sind okay«, sagte er. »Die nehmen wir. Ich treff den so hart, da ist diese zusätzliche Viertelunze nicht mehrals eben eine zusätzliche Viertelunze, mit der er getroffen wird.«
    Während der Belehrung durch den Ringrichter starrte Liston den Champion an. Der Champion starrte seine Schuhe an. Dann gingen sie in ihre jeweilige Ecke zurück und warteten. Der Gong ertönte. Der Kampf war auf fünfzehn Runden angesetzt.
     
    »Du hast ja keine Vorstellung, wie das in der ersten Runde ist«, sagte Floyd später seinem Vertrauten, Gay Talese. »Da bist du nun. Die ganzen Leute um dich rum, die Kameras,

Weitere Kostenlose Bücher