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King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
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Huren und der Luden satt, er wollte nichts mehr hören von
Mutterwitz
, von
cleveren Jungs
, vom
dozens
-Spiel, vom Kampf um die wahre Liebe in den diamantharten Augen einer jeden Edelnutte auf der Straße. Der Neger wollte Patterson, weil Floyd der Beweis war, daß man erfolgreich und gleichzeitig auch geschützt sein konnte. Wenn Liston siegte, war das alte Leid wieder da. Man konnte erfolgreich
oder
geschützt sein. Beides zugleich ging nicht. Falls Liston eine Heldengeschichte vorzuweisen hatte, wollte der Durchschnittsneger nichts davon wissen.
    War Patterson für Mailer der »Archetyp des Underdogs, ein verarmter Prinz«, dann war »Liston Faust. Liston war das Licht eines jeden Rennbahnspezi, der sich auf dem Weg zur Arbeit eine Nummer ausdachte. Er war der Held für alle, die sich mit dem Schicksal anlegten, solange sie nur ihren Spaß dabei hatten; die Zigarettenraucher, die Säufer, die Junkies, die Hascher, die Fixer, die Zicken, die Schwuchteln, die Klappmesser, die Revolverschwinger, die Firmenmanager, alle, die auf Macht fixiert waren. Dies verdankte sich in großem Maße Listons Kampfstil.«
    Eine literarische Fußnote zu Baldwins und Mailers Auftritt in Chicago war ein kurzer Essay von einem jungen Dichter namens LeRoi Jones, der mit Allen Ginsberg und den Beat-Autoren von Greenwich Village verbunden war und in der schwarzen Künstlerbewegung zunehmend von sich reden machte. Anders als Baldwin, der die
Sanftheit
an Patterson mochte, war Jones von dem Champion angewidert, er nannte ihn einen »Ehrenweißen«, der um die Anerkennung der bürgerlichen Welt buhlte. Er feierte Liston als eine Bedrohung, als »den großen schwarzen Neger im Flur eines jeden Weißen, der darauf wartete, ihn umzubringen, ihn wegen all der Schmerzen, die die Weißen durch ihr tyrannisches System der Welt zugefügt haben, fertigzumachen«. Er war »›der riesige Neger‹, ›der böse Nigger‹, das Urbild aller kaputten Woogies dieser Welt. Er ist das unterentwickelte, besitzlose (politisch naive), rückständige Land, das unterdrückte Volk, das nun endlich da ist, um sein Pfund Fleisch einzufordern.« Als Jones diesen Essay in einer Sammlung mit dem Titel
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abdruckte, fügte er eine Fußnote an, in der er sagte, sein Herz gehöre nun Cassius Clay, denn nur Clay könne die neue Militanz, den wahrhaft unabhängigen Schwarzen verkörpern.
    Aus dem Abstand von nahezu vierzig Jahren, nachdem Boxen zu einer Randerscheinung im amerikanischen Leben geworden ist, wirkt diese Symbolkrämerei, die zwei Männern, die einander für Geld in einem Ring verprügelten, aufgebürdet wurde, recht lächerlich. Doch jahrzehntelang war Boxen in den USA ein zentrales Spektakel gewesen, und gerade weil es so elementar ist, so Mann-gegen-Mann, ein Duell mit Händen und nicht mit Bällen oder Schützern oder Schlägern, lagen die Metaphern des Kampfs, allen voran des Rassenkampfs, so nahe. Seit 1908, als Jack Johnson den Titel im Schwergewicht gewonnen hatte, brauchten die weißenBoxfans und vor allem die weißen Promoter eine weiße Hoffnung. Johnson mied die schwarzen Kämpfer seiner Zeit – Sam Langford, Joe Jeanette, Sam McVey. Statt dessen trat er gegen einen weißen Ruheständler an, den ehemaligen Champion Jim Jeffries. Joe Louis’ große Gegner waren bis fast zum Ende seiner Karriere allesamt Weiße: Schmeling, Billy Conn, Tony Galento. Sugar Ray Robinson kämpfte gegen einen Weißen nach dem anderen – Bobo Olson, Paul Pender, Gene Fullmer, Jake LaMotta, Carmen Basilio; die Promoter boten nicht annähernd soviel Geld für Kämpfe gegen gleichstarke schwarze Herausforderer. Mit dem Kampf Patterson gegen Liston hatte sich etwas verändert. Beide waren Schwarze; beide waren mit demselben Vorbild (Joe Louis) und mit vergleichbaren Entbehrungen und Verletzungen aufgewachsen. Die Dramaturgie des Boxens braucht jedoch einen Gegensatz, der so kraß ist wie im Slapstick. Ein Kampf zwischen zwei Angehörigen derselben ethnischen Gruppe hat immer einer Differenz bedurft. Als John L. Sullivan, der erste Weltmeister im Schwergewicht, 1889 seinen Titel barfäustig gegen Jake Kilrain verteidigte, mußte Sullivan den bösen irischen Einwanderer spielen, der trank und ununterbrochen Frauen ins Bett zerrte, während Kilrain der gute Einwanderer, der tugendsame Arbeiter war. Erst mit Patterson und Liston machte sich die Presse die Mühe, Unterschiede zwischen Schwarzen zu zeigen.
    Die symbolischen Unterschiede zwischen den beiden Kämpfern lagen auf der

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