Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
Vom Netzwerk:
Der Besitzer von Mekka war von einem unverschämten Pilger abgewiesen worden. Shorsagte zu Harold Conrad: »Bringen Sie mir diese Nulpe ja nicht noch mal her.«
     
    Ein paar Tage vor dem Kampf flog Cassius Clay mit seinem Trainer Angelo Dundee nach Las Vegas. Es ist üblich, daß ehemalige Champions und neue Herausforderer einem Titelkampf beiwohnen. Clay jedoch kam nicht um der Tradition willen, sondern in dem Geist, in dem Jack Johnson Tommy Burns nach Australien folgte. Johnson wollte den zögernden Champion in Verlegenheit bringen, ihn so beschämen, daß er sich zum Kampf stellte. Clay wollte Liston verspotten, sich als den Herausforderer Nummer eins verkaufen, auch wenn ein Großteil des Pressecorps ihn noch immer für wenig mehr als einen Schreihals mit einem leichten Punch hielt.
    Eines Nachmittags stand Listons Freund Jack McKinney mit einem der Sparringspartner des Champions, Leotis Martin, im Ring. Liston stand an der Ringverkleidung und sah McKinney zu, als Clay hereinkam.
    »Hey, Sonny«, brüllte er über den Ring, »du könntest ja nicht mal McKinney schlagen!«
    »Das ist Liston ganz schön an die Nieren gegangen«, erinnerte sich McKinney. »Alle haben sich schlapp gelacht, und das hat Sonny überhaupt nicht gefallen. Er fand es nicht besonders lustig.«
    Ein paar Abende später war Liston in einem der Kasinos beim Würfeln. Clay war auch da; er entdeckte ihn und ging sogleich quer durch den Raum zu dem Tisch. Liston war vierhundert Dollar in den Miesen. Clay erfreute sich an Listons Kummer.
    »Nun seht euch diesen großen häßlichen Bären an, der kann ja nicht mal würfeln«, verkündete Clay allen, die es hören wollten.
    Liston machte ein finsteres Gesicht. Er warf die Würfel erneut. Wieder nichts.
    »Seht euch diesen großen häßlichen Bären an! Nichts kann er richtig.«
    Liston schmiß seine Würfel hin und ging zu Clay.
    »Hör mal, du Niggerschwuchtel«, sagte er. »Wenn du nicht in zehn Sekunden draußen bist, reiß ich dir deine dicke Zunge raus und schieb sie dir in den Arsch.«
    Einige Zeit später sah Liston, daß Clay noch immer im Kasino war.
    »Jetzt paß mal auf«, sagte Liston zu seinem Freund McKinney.
    Der Champion ging zu Clay und verpaßte ihm eine schallende Ohrfeige, was diesem weniger weh tat als ihn verblüffte.
    Clay riß die Augen auf.
    »Warum hast du das gemacht?« Clay glaubte, es sei ein großes Spiel gewesen, eine Scharade, ein Reklamegag, um den Vorverkauf anzukurbeln. Aber nicht für Liston.
    »Warum?« sagte Liston. »Weil du mir zu frech bist.« Und beim Weggehen sagte er: »Dem sein Herz hab ich.« Und das stimmte auch. Clay gab es Dundee und seinen Freunden gegenüber zu. Er hatte Angst gehabt.
    Es war eine Gefängnissituation, jedenfalls für einen Sträfling, eine Situation, in der man nicht kneift, dafür tut es der andere, und damit hat er verloren und ist der Feigling und der Sklave und man hat sein Herz, sein alles, und alles gehört einem, für alle Zeit. Das glaubte Liston.
     
    Die Szene im Kasino war für den Champion zweifellos schwieriger als der zweite Kampf mit Patterson. Liston verbrachte die erste halbe Minute des Kampfs damit, herauszufinden, ob Patterson etwas Neues zu bieten hatte. In Anbetrachtseines Trainings und seiner langen
vacances au soleil
wollte er nicht länger warten, und nachdem er sich von der mangelnden Inspiration des Herausforderers überzeugt hatte, fegte er ihn mit einem fürchterlichen Uppercut an den Kiefer und einer rechten Geraden zu Boden.
    In einem ruhigeren Augenblick theoretisierte Liston über die Macht seines Punchs und den Schaden, den er anrichten konnte. Er hatte ein Bild von der empfindlichen menschlichen Physiognomie im Kopf, deren Gleichgewicht und wie sie durch die Wucht der Faust für immer verändert werden kann. »Siehst du, die verschiedenen Teile des Gehirns sitzen so in kleinen Bechern. Wenn du einen schlimmen Treffer kriegst, flutscht das Gehirn aus den Bechern –
plopp!
–, und du bist k. o. Dann geht das Gehirn wieder in die Becher zurück, und du kommst zu dir. Wenn das aber oft genug passiert, manchmal aber auch schon bei einem Mal, wenn der Schlag hart genug ist, geht das Gehirn nicht wieder richtig in die Becher zurück, und dann braucht man andere Leute, die einem durchs Leben helfen.«
    Nach der Leere in Pattersons Augen zu urteilen, war sein Gehirn aus den Bechern geflutscht und erst wieder bei neun zurückgegangen. Er kam auf die Beine und war dem schnellsten Exitus in der Geschichte

Weitere Kostenlose Bücher