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King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
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sich ein wenig Geld dazuzuverdienen (Cassius wischte bei den Nonnen des Nazareth College den Bibliotheksboden), doch anders als Sonny Liston und Floyd Patterson blieb ihnen die furchtbare Sorge, ihre Eltern scheitern zu sehen, erspart.
    »Er gehörte zu denen, die regelmäßig ihr Essen bekamen«, so Lamont Johnson, ein Klassenkamerad Clays. »Das passierte damals bloß Mittelschichtskindern!«
    Als Ali Muslim wurde, sagte er, Clay sei sein Sklavenname – und das stimmte natürlich. Es war aber auch ein Name, auf den seine Familie in gewisser Weise stolz war. Cassius Clay wurde nach einem Abolitionisten benannt, einem Kentuckyer Farmer aus dem neunzehnten Jahrhundert, der vierzig Sklaven und eine Pflanzung namens White Hall in dem Städtchen Foxtown in Madison County, Kentucky, erbte. Clay war ein Meter fünfundneunzig groß und kommandierte eine Einheit im Krieg gegen Mexiko. Als er nach Hause zurückkehrte, wurde er Abolitionist und gab in Lexington eine Antisklavereizeitung namens
The True American
heraus. Er war einer der ersten im Staat, der die Sklaven auf seiner Pflanzung in die Freiheit entließ. Clay kümmerte sich nicht um Morddrohungen und hielt in ganz Kentucky Reden gegen die Sklaverei. »Für jene, welche die Gesetze Gottes achten, habe ich dieses Argument«, sagte er und legte theatralisch eine in Leder gebundene Bibel vor sich. »Für jene, welche an die Gesetze der Menschen glauben, habe ich dieses Argument.« Nun legte er eine Staatsverfassung vor sich. »Und für jene, welche weder an die Gesetze Gottes noch des Menschen glauben, habe ich dieses Argument«, worauf er zwei Pistolen und ein Bowiemesser hervorholte. Während einer Diskussion mit einem Kandidaten für das Gouverneursamt, der für die Sklaverei eintrat, bekam Clay ein Messer in die Brust; glücklicherweise hatte er sein Bowiemesser bei sich und stach seinen Angreifer ebenfalls nieder. Abraham Lincoln schickte Clay als Regierungsbeauftragten nach Rußland, doch schon nach einem Jahr kehrte er aus St. Petersburg nach Hause zurück, um weiter für die Sache der Abolitionisten zu streiten. Bis zum Ende bewahrte er sich seine körperliche Beherztheit. Mit vierundachtzig heiratete er noch eine Fünfzehnjährige.
     
    Cassius Clay – der Junge, der Kämpfer – wuchs mit Geschichten über seinen Urgroßvater auf, der auf dem Land des Abolitionisten Clay groß geworden war. »Mein Großvater lebte bei dem alten Mann, aber nicht als Sklave, o nein!« sagte Clay senior zu Jack Olsen, der die Eltern des Kämpfers ausführlich interviewte. (Sie starben in den neunziger Jahren.)
    In Odessas Familie war das Blut gemischt, was Clay nach seinem Übertritt zur Nation of Islam einiges Kopfzerbrechen bereitete. Er behauptete, etwaiges weißes Blut in seiner Familie sei durch »Vergewaltigung und Schändung« hineingekommen. Die Wirklichkeit war komplexer. Einer von Odessa Lee Grady Clays Großvätern war Tom Moorehead, der Sohn eines Weißen und einer Sklavin namens Dinah. Ihr anderer Großvater war ein Weißer – Abe Grady, ein irischer Einwanderer aus County Clare, der eine Schwarze heiratete; deren Sohn heiratete ebenfalls eine Schwarze, und eine ihrer Töchter war Odessa.
    Odessa Clay war eine freundliche, hellhäutige Frau mit einem Mondgesicht, die jeden Sonntag mit ihren Söhnen in die Kirche ging und sie zu Reinlichkeit, harter Arbeit und Respekt vor den Älteren anhielt. Clay nannte seine Mutter »Bird«, während sie ihn, nach seinen ersten »Worten«, »Gee Gee« nannte. (Rückblickend nahm sein Vater diesen Namen als Omen, einen Vorboten der »Golden Gloves«-Meisterschaften, die sein Sohn gewinnen sollte.) Die Clays hatten eine weitläufige Verwandtschaft, und bei Familientreffen war Cassius das schöne Kind, er redete unablässig, machte Witze, wollte immer im Mittelpunkt stehen, was ihm auch gelang.
    »Er war immer ein Redner«, sagte Odessa Clay. »Schon als Baby wollte er mit aller Macht reden. Hat immer so geplappert, wissen Sie? Und dann lachten die Leute, und er machteGrimassen und plapperte ganz schnell. Es war mir unbegreiflich, wie jemand so schnell sprechen konnte – wie ein Blitz. Und nie saß er still. Als er ein halbes Jahr alt war, war er einmal bei mir im Bett, und Sie wissen ja, wie Babys sich strecken. Und er hatte kleine Muskelärmchen, und er traf mich am Mund, als er sich streckte, und davon wurde ein Schneidezahn locker und auch noch der andere Schneidezahn, und dann mußte ich sie mir beide ziehen lassen. Deshalb

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