King of the World
Haare genau wie Dorothy Dandridge in
Carmen Jones
trug.
»Cassius trug meistens ein rotgraues Jackett mit einer Golden Gloves-Applikation«, schrieb sie in einer Kurzbiographie für das Louisviller
Courier-Journal
. »Cassius sagte nicht, ob ihm meine Frisur gefiel. Zu der Zeit interessierte er sich viel mehr für Floyd Patterson. Er hatte schon seine Momente, wenn er mir sagte, ich sei das hübscheste Mädchen, das er je gesehen habe. Das Dumme war nur, so viele sah er gar nicht.«
Nachdem er drei Wochen mit ihr gegangen war, bat er sie um einen Kuß. »Ich war das erste Mädchen, das er geküßt hatte, er wußte gar nicht, wie das geht. Also mußte ich es ihm zeigen. Als ich es tat, fiel er in Ohnmacht. Ganz ehrlich. Er machte immer Späße, also glaubte ich, er tue nur so, aber er schlug so hart auf. Ich rannte nach oben, um ein feuchtes Tuch zu holen.«
Als Clay wieder zu sich kam, sagte er: »Es geht schon wieder, aber das glaubt mir bestimmt keiner.«
Viele seiner anstrengendsten Stunden erlebte Clay in der Schule. 1957 kam er an die größte schwarze High School, die Central High in der West Chestnut Street, und in der zehnten Klasse waren seine Noten so schlecht, daß er sie im darauffolgenden Jahr wiederholen mußte. Trotz seiner schulischen Leistungen konnte er den jovialen Rektor der Central, Atwood Wilson, für sich einnehmen. Clay entsprach durchaus nicht Wilsons Vorstellungen von einem idealen Schüler. Ständig tänzelte er schattenboxend durch die Flure, spielte sich auf, erklärte sich zum Größten aller Zeiten, rannte dann auf die Toilette, um vor dem Spiegel weiter zu boxen. Im Unterricht träumte er, malte herum, statt mitzuschreiben. Was Wilson jedoch beeindruckte, war seine frühreife Disziplin, daß er noch vor Tagesanbruch aufstand und in seinen klobigen Schuhen mit den Stahlkappen und im Trainingsanzug durch den Chickasaw Park rannte, ständig prahlte, seinen großen Sprüchen aber immer Taten folgen ließ. Wenn er seinen Freunden sagte, er werde in
Tomorrow’s Champions
auftreten und Charley Baker, den härtesten Jungen im ganzen West End, aus dem Ring fegen, tat er es auch, obwohl Baker fast zehn Kilo schwerer war als er. Clay war ein sanfter Junge, der seine Muskelkraft ausschließlich im Ring zur Anwendung brachte. Und so beschloß Wilson, ihn zu fördern. Bei Schulversammlungen nahm er ihn in denArm und verkündete: »Da ist er, meine Damen und Herren! Cassius Clay! Der nächste Weltmeister im Schwergewicht. Dieser Bursche wird eine Million Dollar verdienen!« Gab es Berichte von Lümmeleien in der Klasse, schaltete Wilson die Schulsprechanlage an und verkündete mit ironisch grimmiger Stimme: »Wenn hier einer verrückt spielt, schicke ich Cassius Clay vorbei!«
Als die Zeugnisse nahten, fanden einige Lehrer, Clay dürfe kein Diplom bekommen, da dies ein falsches Signal für die Trainer sei, die für ihre schlechten Sportschüler ebenfalls eine Sonderregelung haben wollten. Schließlich stand Wilson bei einer Lehrerkonferenz im Musiksaal der Schule auf und sagte: »Eines Tages wird unser größter Anspruch auf Ruhm der sein, daß wir Cassius Clay kannten oder unterrichteten … Glauben Sie, ich werde der Rektor einer Schule sein, die Cassius Clay nicht beendet hat? Der wird an einem Abend mehr Geld verdienen als der Rektor und alle Lehrer hier in einem Jahr. Und wenn jeder Lehrer hier ihn durchfallen läßt, ich lasse ihn nicht durchfallen. An meiner Schule wird er nicht durchfallen. Ich werde sagen: ›Ich habe ihn unterrichtet!‹«
Nachdem Wilson seine »Anspruch auf Ruhm«-Rede, als die sie später in die Schullegende Eingang fand, beendet hatte, lenkten die Lehrer widerstrebend ein. Als Clay seine Schulzeit an der Central im Juni 1960 schließlich beendete, wurde er als 376ster von 391 bewertet und erhielt die Mindestnote, ein »teilgenommen«. Clays Abschlußzeugnis war ein Akt der Großzügigkeit, die traditionelle Dankesschuld, die eine Schule ihrem Starathleten entrichtet. Atwood Wilson machte sich über Clay wenig Illusionen. Jahrzehnte später, in seinen mittleren Jahren, bereitete Ali das Lesen noch immer Schwierigkeiten. Über keinen Sportler dieses Jahrhunderts sollte mehr geschrieben werden, und dennochsollte dieser Sportler seine Freunde und Betreuer bitten, ihm die Zeitungsartikel vorzulesen. »Die Wahrheit ist doch«, sagte Wilson, »das einzige, was Cassius je wird lesen müssen, ist sein Steuerbescheid, und ich bin bereit, ihm dabei zu helfen.«
Fairerweise
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