King of the World
sehen.«
»Was soll’s«, sagte Pastrano. »Im Fernsehen läuft eh nichts.«
Clay und sein Bruder Rudolph kamen herauf und unterhielten sich mehrere Stunden mit Dundee und Pastrano. Clay stellte unzählige Fragen nach dem Training, zu anderenKämpfern, zu Techniken. Dundee war amüsiert und beeindruckt. »Der Junge war so
lebendig
und engagiert.« Zwei Jahre später kamen Dundee und Pastrano zu einem weiteren Kampf in die Stadt, diesmal gegen Alonzo Johnson. Clay war siebzehn, noch immer Amateur, doch nun wollte er sich nicht unterhalten. Er wollte mit Pastrano sparren. Dundee war von seinem Kämpfer überzeugt, aber er wollte auch keinen Ärger.
»Ich wollte nicht, daß er mit Willie sparrte«, sagte Dundee, »aber dann wartete er schon im Boxraum, lag mir tagtäglich in den Ohren und sagte: ›Warum lassen Sie mich nicht mit Ihrem Mann da arbeiten?‹ Also, ich halte ja nichts davon, wenn Amateure mit Profis arbeiten, und es war auch die Woche von Willies Kampf. Aber dieser Junge war so begeistert, und da hab ich wohl ein bißchen nachgegeben und sie zwei Runden machen lassen. Ich hab gedacht, was kann schon passieren? Tja, und Willie konnte diesen Jungen nicht stellen. Muhammad – damals noch Cassius – war einfach zu schnell. Wie ein Gummiball. Man hält ihn für schnell, wenn man ihn in seinen späteren Kämpfen sieht, aber das ist langsam dagegen, wie er als junger Mann war. Zack, zack, zack und wieder weg. Ob er schlagen konnte? Jeder kann schlagen. Jeder mit fünfundachtzig Kilo kann schlagen. Das Entscheidende ist, zuzuschlagen, wenn der andere es nicht erwartet. Willie kam aus dem Ring, und ich sagte: ›Mann, du bist übertrainiert, du sparrst nicht mehr.‹ Willie sagte: ›Quatsch, der hat mir total den Arsch versohlt.‹«
KAPITEL 6
ÜBERSCHWANG DES
20. JAHRHUNDERTS
Louisville, 1963.
Im Sommer 1960, kurz vor den Olympischen Spielen in Rom, ging ein junger Journalist namens Dick Schaap von seinem Redaktionsbüro in der Madison Avenue in Manhattan zu einem Hotel in Midtown, um sich mit zweien der aussichtsreichsten Boxer der amerikanischen Mannschaft, Cassius Clay und einem Kämpfer aus Toledo namens Wilbert »Skeeter« McClure, zu treffen. Schaap war Sportredakteur bei
Newsweek
. Er wollte sich an dem Presseansturm auf Rom nicht beteiligen, aber dennoch einige der Sportler der amerikanischen Mannschaft kennenlernen, um eine klarere Vorstellung davon zu bekommen, wie die Zeitschrift von den Spielen berichten sollte.
Schaap kannte alle und jeden; die Sportler mochten ihn. Er bot Clay und McClure an, mit ihnen nach Harlem zu fahren, um seinen Freund Sugar Ray Robinson kennenzulernen, was insbesondere Clay reizte. Clay hatte seinen Boxstil auf dem Prinzip aufgebaut, daß ein Großer Anleihen bei der Taktik eines Kleineren machen kann, eines Kleineren wie Sugar Ray Robinson; auch hatte er seine Träume vom Luxus aus Visionen von Sugar Rays legendären Cadillacs gewoben: dieses Jahr ein schockierendes Pink, das nächste Lavendel. Robinson war für Clay ein Idol, doch sollte er angesichts der Begegnung nervös gewesen sein, ließ er es sich jedenfalls auf der Fahrt Richtung Norden nicht anmerken. Block um Block beschrieb er, wie er jeden im Halbschwergewicht demontieren werde, und danach fuhr er mit seiner Zusammenfassung davon fort, wie er Floyd Patterson entthronen werde. Er werde Weltmeister im Schwergewicht, sagte er, noch bevor er das Wahlalter erreiche.
»Ich werde der Größte aller Zeiten sein«, sagte Clay.
»Lassen Sie sich nicht stören«, sagte McClure zu Schaap, während sie im Taxi die Seventh Avenue entlangbrausten. »So ist er eben.«
Schaap ließ sich nicht stören. »Obwohl er erst achtzehn war, war er der lebhafteste, lebendigste Mensch, dem ich je begegnet war«, sagte Schaap. »Es war, als begegnete man einem großen Schauspieler oder charismatischen Staatsmann, so einer Gestalt mit einer Ausstrahlung, einer inneren Energie, man wußte sofort, daß man von ihm noch jahrelang etwas hören würde.«
Clay, McClure und Schaap stiegen vor Sugar Rays Bar in der Seventh Avenue aus, doch Robinson war noch nicht da. Sie beschlossen, etwas zu Abend zu essen und ein wenig durch Harlem zu bummeln. Einen Block von der Bar entfernt sahen sie einen elegant gekleideten jungen Mann, der auf einer Holzkiste stand und die Doktrin des »buy black«, also nur bei Schwarzen zu kaufen, und der schwarzen Selbsthilfe predigte, ein Thema, das Clay schon von seinem
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