King of the World
Vater (über Marcus Garvey) gehört hatte und das in den Reden von Elijah Muhammad und Malcolm X ständig vorkam. An der Ansprache war nichts besonders Radikales – es wurde nicht zum Separatismus aufgerufen, der weiße Mann wurde nicht als »blauäugiger Teufel« bezeichnet –, und dennoch war Clay erstaunt darüber, daß da einer auf der Straße predigte, ohne Angst vor der Polizei oder weißen Rassisten.
»Kriegt der denn keinen Ärger?« fragte Clay.
Schaap verneinte. Solche Redner hatte es in Harlem schon lange gegeben. Clay hörte dem jungen Prediger aufmerksam zu und nickte zustimmend.
Schließlich fuhr Robinson in seinem neuesten Modell heran – einem purpurroten Caddy. Schaap war gespannt, wie Clay sich wohl benehmen würde, ob er auch Robinson mitseinen Aufschneidereien nerven würde. Doch Clay war bescheiden, sogar zurückhaltend. Robinson schenkte ihm nur ein paar Augenblicke. Gelangweilt und überheblich sagte er Hallo und schritt dann an ihnen vorbei in seine Bar. Clay machte große Augen. »Dieser Sugar Ray, der ist klasse«, sagte er. »Eines Tages werde ich
zwei
Cadillacs besitzen – und einen Ford zum damit Rumfahren.«
Erst danach, im Rückblick auf diese Begegnung, fühlte er sich von Robinson übergangen. »Ich war sehr
verletzt
«, sagte er Jahre später. »Wenn Sugar Ray nur geahnt hätte, wie sehr ich ihn liebte und wie lange ich ihn schon verfolgt hatte, dann wäre er vielleicht nicht so gewesen … Und da sagte ich mir auch: ›Wenn ich einmal groß und berühmt werde und die Leute so sehr ein Autogramm von mir wollen, daß sie den ganzen Tag auf mich warten, dann behandle ich sie jedenfalls anders.‹«
Clays einziges Hindernis als Olympiateilnehmer war seine Flugangst. Zu seinen Amateurwettkämpfen war er immer mit der Bahn und im Kombi der Martins gelangt. Warum ging das nicht auch auf seiner Reise zur Schwergewichtsweltmeisterschaft? Es kostete Joe Martin vier Stunden im Central Park in Louisville, auf ihn einzureden und ihn davon zu überzeugen, daß man nach Rom nicht mit dem Zug fahren konnte. Er konnte sich an den Armlehnen festklammern, eine Pille schlucken, er konnte schreien und toben, aber er mußte fliegen. »Schließlich willigte er ein«, erzählte Martins Sohn, Joe junior, dem Louisviller
Courier-Journal
. »Aber dann ging er in ein Armeeausrüstungsgeschäft und kaufte sich einen Fallschirm, den er dann tatsächlich auch im Flugzeug trug. Es war ein ziemlich rauher Flug, und er kniete im Gang und betete, den Fallschirm auf dem Rücken.«
In Rom hatte er dann seinen Spaß, im Ring wie auch außerhalb. Wie immer hatte er ein Verschen zur Hand, diesmalein paar Zeilen, die Floyd Pattersons Sieg über Ingemar Johansson rühmten:
You may talk about Sweden
You may talk about Rome.
But Rockvill Centre’s
Floyd Pattersons home.
A lot of people said
That Floyd couldn’t fight,
But you should have seen him
On that comeback night.
(»Redet nur über Schweden / Redet nur über Rom. / Doch im Rockville Centre ist / Floyd Patterson zu Hause. / Viele sagten, / Floyd könnt nicht kämpfen, / Aber ihr hättet ihn sehn soll’n / Am Abend seines Comebacks.«)
Clay streifte durchs olympische Dorf, lernte alle möglichen Menschen aus der ganzen Welt kennen und bezauberte sie mit seinen Prophezeiungen über seine große Zukunft. Clay war so locker und unbefangen, daß er für alle bald der Bürgermeister des olympischen Dorfs war. »Die Leute liebten ihn«, sagte Wilma Rudolph, die in den Sprintwettbewerben drei Goldmedaillen für Amerika gewann. »Jeder wollte ihn sehen. Jeder wollte bei ihm sein. Jeder wollte mit ihm reden. Und er redete die ganze Zeit. Ich hielt mich immer im Hintergrund, weil ich nicht wußte, was er sagen würde.« Clay verliebte sich ein bißchen in Rudolph, doch sie war schon mit einem Läuferkollegen verlobt. Das war in Ordnung. Als Clay sah, daß McClure einem Mädchen einen Liebesbrief nach Hause schrieb, bat er ihn, ihm einen diktieren zu dürfen: Er wollte einen Liebesbrief an ein Mädchen in Louisville schreiben, wenn auch nur zum Spaß.
Clays Erlebnisse im Ring waren vom Glück nicht wenigerbegünstigt. Die ersten drei Kämpfe absolvierte er im Schongang, und im Finale traf er dann auf einen massigen Kaffeehausbesitzer aus Polen namens Zbigniew Pietrzykowski. Nach einer schwerfälligen ersten Runde siegte er dann doch einstimmig nach Punkten und gewann die Goldmedaille. Am Ende des Kampfs war Clays weiße Satinhose getränkt vom Blut des
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