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King of the World

King of the World

Titel: King of the World Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Remnick
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und standen die ganze Nacht unter der Straßenlampe, rannten ständig in die Jukeboxkneipen und rauchten und wurden zu Trinkern und hatten nichts zu tun. Ich hab’s auch ein bißchen versucht, früher mal, aber es gab nichts anderes zu tun als Boxen.«
     
    Anfang der siebziger Jahre beschlossen Elijah Muhammads Leutnants, ein Buch zu machen. Die Zeit, so befanden sie, sei reif für eine Autobiographie Muhammad Alis. Und so verkauften die Muslims unter Federführung von Elijahs Sohn und Manager Herbert Muhammad das Buch für eine Viertelmillion Dollar (Weltrechte eingeschlossen) an den Verlag Random House. Ghostwriter sollte Richard Durham sein, der Herausgeber der Zeitschrift der Nation of Islam,
Muhammad Speaks
. Durham selbst war gar kein Muslim – wenn überhaupt, war er Marxist. Durham war ein talentierter Schreiber, gleichzeitig aber sollte er für Ali das tun, wasParson Weems für George Washington getan hatte. So wie Weems einen mythischen Washington beschrieben hatte, der Kirschbäume fällt und Münzen über den Potomac schleudert, um moralische Reinheit und eindrucksvolle körperliche Verfassung zu demonstrieren, machte Durham aus Ali einen Champion, dessen Antrieb fast ausschließlich Wut und rassische Ungerechtigkeit sind. Alis erster Geldgeber, die Louisville Sponsoring Group, wurde als niederträchtige Bande weißer Geschäftsleute dargestellt, die in ihrem Schützling kaum mehr als eine Wertanlage sahen, die es auszubeuten galt, ein Vollblut mit kräftigen Beinen und guten Zähnen. An der berühmtesten Stelle des
The Greatest
betitelten Buches warf Ali seine Goldmedaille in den Ohio, als er nach seiner Rückkehr aus Rom so empört darüber war, daß er in einem Restaurant nicht bedient und statt dessen von einer weißen Motorradbande angepöbelt wurde.
    Natürlich enthielt das Buch auch viel Wahres. Allerdings gab es diese weiße Motorradbande gar nicht, und Clay warf seine Medaille auch nicht weg, sondern verlor sie. Und als politischer Aktivist trat Clay erst Jahre später in Erscheinung. Bei der einzigen Bürgerrechtsdemonstration in Louisville, an der er in den fünfziger Jahren teilnahm, kippte eine Weiße einen Eimer Wasser über die Marschierenden, wobei Clay bis auf die Haut durchnäßt wurde. »Das war das letzte Mal, daß ich dabei war«, sagte er, und lange hielt er sein Versprechen. Wie in den Autobiographien von Joe Louis und Jack Johnson werden auch in
The Greatest
Fakten und Folklore vermischt – in diesem Fall Folklore im Dienste von Elijah Muhammads Programm.
    Als Verfasser von Alis Autobiographie war Durhams kreative Unabhängigkeit stark eingeschränkt. Das Buch war für die Nation of Islam ein wesentliches Dokument. In der Frühzeit der Nation hatte Elijah Muhammad das Boxen alsbesonders unwürdig verurteilt, als ein häßliches Spektakel, bei dem weiße Männer zusehen, wie schwarze Männer einander zu Brei schlagen, doch mit Ali hatte er seinen leuchtenden Prinzen, ein überlebensgroßes Symbol muslimischer Manneskraft, ein wandelndes Rekrutierungsplakat. Toni Morrison, die Lektorin bei Random House war, bis sie den Verlag verließ, um ausschließlich als Schriftstellerin zu arbeiten, war fassungslos darüber, wie Herbert Muhammad ständig Änderungen am Manuskript verlangte – insbesondere Änderungen, die den Anschein erwecken sollten, die zentrale Figur beim Aufstieg Alis sei immerzu Herbert Muhammad gewesen. Ali fluchte nie sonderlich viel, doch Herbert untersagte jegliche grobe Ausdrucksweise. Sämtliche Sprüche aus der Umkleidekabine waren verboten. In einer frühen Fassung sagt Alis Frau Sonji, er solle den Muslims gegenüber bestimmter auftreten: »You the
champ
, muthafucker!« – »Du bist doch der Champion, du Arsch!« Das wurde natürlich auch gestrichen.
    »Meine große Sorge bei dem Projekt war immer Herbert, der unablässig damit drohte, etwas Schreckliches zu tun«, sagte Morrison. »Am Ende war das Buch überwiegend korrekt. Aber es geriet zunehmend in Mißkredit, weil Ali keine Werbung mehr dafür machen wollte. Er wollte Signierstunden in innerstädtischen Buchhandlungen abhalten, doch dort fürchtete man, die Läden würden von schwarzen Barbaren überrannt. Das muß man sich mal vorstellen! Sie wollten immerzu, daß Ali in die Vororte ging, aber das wollte wiederum er nicht.
    Was die Geschichte mit der Goldmedaille anging, so bestritt Ali ihren Wahrheitsgehalt, kaum daß das Buch erschienen war. Ich glaube, es war auf einer Pressekonferenz, als er auf

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